07.08.–19.09.1999

Seit 1996 entwickelt der Berliner Künstler Andreas Siekmann Serien von Zeichnungen, die er thematisch unter dem Titel aus: Gesellschaft mit beschränkter Haftung subsumiert. Die Bilder zeigen, daß und in welcher Weise sich ökonomische Machtverhältnisse auf den öffentlichen Stadtraum auswirken. Nach Siekmann steht dieser zunehmend unter den Interessen privater Investoren und den von ihnen beeinflußten politischen Rahmenbedingungen. Marginale Gruppen werden häufig von zentralen Orten verdrängt und die so geschaffenen exklusiven Räume durch Überwachungsmaßnahmen abgesichert. Als ein indirektes Kontrollinstrument dieser Stadtpolitik erscheint die Entwicklung von Leitbildern mit spezifischen Bedeutungsinhalten. An dieser Imagetransferproduktion nun möchte sich der Künstler mit seinen Zeichnungen korrigierend beteiligen.

Die insgesamt etwa zweihundert Zeichnungen zu diesem Thema lassen sich in Gruppen unterteilen, die jeweils einem Teilaspekt zugeordnet sind. Ihre Zusammengehörigkeit ergibt sich neben ihrer ergänzenden Inhaltlichkeit auch durch ihre formale Einheit. Alle Zeichnungen sind im DIN-A 4-Querformat mit Aquarellfarbe, Filz- und Lackstift blattfüllend angelegt. Ihre Kompositionen besitzen in ihrer Detailliertheit ein stark narratives Element. Durch ihre Bezüge untereinander erscheint eine Folge als eine Bildererzählung.

Auf allen Zeichnungen findet sich das Motiv einer Bluejeans. Diese "leeren Jeanshosen" sitzen, stehen und laufen; sie werden von imaginären Personen getragen. Ihr Umraum ist die Stadt mit ihren typischen Straßen und Architekturen, aber auch mit ihren Geschäften und Büros. Allein die spezifische Haltung der Jeanshosen sowie ihr Kontext charakterisieren die nicht anwesenden Träger. Damit liegt ein besonderer Akzent auf der spezifischen Plazierung der Jeans(träger) im öffentlichen Raum.

Die Titel der einzelnen Zeichnungsserien verweisen auf deren Inhalt. So führt Logik der Apparate Situationen und Orte vor, zu denen die Jeans(träger) nicht zugelassen sind und deren Ausschluß durch Aufsichtsbeamte überwacht wird. In diesen Bildern herrscht eine geteilte Gesellschaft, für die nicht der gleiche öffentliche Raum Gültigkeit besitzt. ABMachine zeigt arbeitslose Jeanshosen, die über Arbeitsämter in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eingegliedert werden. Hier zeigen die Zeichnungen aber die Oberfläche eines Computerbildschirms und führen somit eine eigene Realität vor. Denn nur im Computerbild, also im Lernprogramm der Arbeitsämter, finden die Verwandlungen der Jeanshosen statt.

Mit der Jeanshose als Protagonist seiner Zeichnungen will der Künstler bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse im Alltag visualisieren. Seine Jeanshosenträger sind sozial schwache, von der Gesellschaft ausgeschlossene Gruppierungen. Für sie gilt nach Siekmann das einfache Prinzip: Keine Arbeit, kein Einkommen, kein Konsum: Die Verdinglichungsunfähigkeit des Kapitals hinterläßt "weiße Flecken" im öffentlichen Raum, die in den letzten Jahren immer mehr in Kauf genommen werden.

Durch seine bildimmanenten Verweise auf andere Typen von Jeansträgern reflektiert Siekmann die Sozialgeschichte der Jeanshose: ihre Entwicklung von der ehemaligen Arbeiterhose über die Jeans als repräsentatives Zeichen der Jugendkultur bis hin zum gesellschaftsfähigen Kleidungsstück. Die Verwandlungsfähigkeit der Hose scheint somit gesellschaftliche Optionen zu beeinhalten. Die Jeans wird bei Siekmann zum Zeichen dieser Ambivalenz. Die von ihm gezeichnete leere Jeans ist selbst ohne Substanz, ohne Argumente. Sie kann für die unterschiedlichen Öffentlichkeitsbereiche stehen und damit grundsätzlich auch für die verschiedenen politischen Verhältnisse, auf die die Träger der Jeanshosen Einfluß nehmen könnten.

Die Verwendung einer comicartigen, fast naiven Bildsprache ist bewußt populistisch und besitzt eine gute Lesbarkeit. Seine Arbeiten besitzen einen politischen Anspruch, denn in ihnen entwickelt Siekmann eine Bildsprache, mit der er in die aktuelle Diskussion um die Veränderung von städtischem Raum durch ökonomische Umstrukturierungen eintritt. Das Medium der Zeichnung erscheint ihm als adäquates künstlerisches Mittel, mit der Realität zu arbeiten, ohne diese auch abzubilden.

Die verschiedenen Zeichnungsserien werden als Bilderbahnen auf Tischen und teilweise auch an den Wänden des Portikus präsentiert. Die spezifische Anordnung der Tische verweist dabei auf Verbindungslinien und Überschneidungspunkte der Zeichnungen. Der Besucher hat die Möglichkeit, zur Betrachtung der Zeichnungsserien auf rollbaren Bürostühlen Platz zu nehmen.

Siekmann nimmt auch an der Imagetransferproduktion im öffentlichen Stadtraum direkt teil, indem zwei Bildmotive seiner Zeichnungen auf Großplakaten in der Stadt Frankfurt gezeigt werden.