18.10.–07.12.1997

ästhetik ist keineswegs die lehre vom geschickten arrangieren von wohligkeiten (oder anderen reizdingen) oder vom systematisieren solcher arrangements,

noch das aufstellen oder verknüpfen zeitangepaßter (oder anderer) kulturtheorien oder das durchsetzen irgendwelcher kunstideologien,

sondern hat erstmal zu tun mit denen, die unsere welt geschaffen haben (grüß gott) und schaffen: unseren sogenannten fünf sinnen - denn eigentlich sind es mindestens acht - und der kleinen grauen eminenz, die sich ihrer, zu unserem nutz und frommen, bedient! (TS 1979)Zur bewährten Tradition des Portikus gehört es, jedes Jahr im Oktober zur Zeit der Frankfurter Buchmesse eine Ausstellung mit Werken eines Künstlers zu zeigen, der sich mit Büchern bzw. Büchermachen auseinandersetzt. Tomas Schmit (* 1943, lebt und arbeitet in Berlin) ist ein solcher Künstler in ganz besonderer Hinsicht. Bekannt geworden ist er mit frühen Fluxusaktionen wie "piece" (1962), einem "zyklus für wassereimer (oder flaschen)", bei der TS Behälter im Kreis aufstellte und Wasser von einem in den nächsten umfüllte, bis alles verspritzt oder verdunstet war, oder auch "sanitas 79" (1962), bei der er sein Publikum im Glauben, es sei ein Happening zu erwarten, aufs Land expeditierte - und dann selbst im leeren Bus eilig zurückfuhr und die Kunst-Touristen in der Gegend stehen ließ. Seit vielen Jahren macht TS keine "Aufführ-" bzw. "Aufführer-Kunst" (TS) mehr, sondern Zeichnungen, Editionen, Hefte, Bücher. "mancher kennt mich noch als strengen fluxusakteur und sagt heute: der macht ja nichts (vernünftiges) mehr ..., und darüber, wie fröhlich und lustig mein kram manchmal daherkommt, übersehen viele, was hinter ihm, was in ihm steckt; (...)" (TS 1978)

Zeichnen steht bei Tomas Schmit untrennbar mit Schreiben in Zusammenhang, Bilder mit Wörtern. Aus den Gleichheiten und Differenzen, aus den Abweichungen und Widersprüchen entsteht seine einzigartige Auffassung vom Zeichnen. Bilder und Wörter sind unterschiedliche Modelle von Wirklichkeit. "das wort giraffe hat keinen langen hals" heißt es in einer Zeichnung von Tomas Schmit. "100 leute haben 100 verschiedene vorstellungen von einer giraffe. 100 leute ("ausländer raus!") benutzen alle dasselbe wort, wenn sie vom langhals reden oder schreiben. doch 100 leute würden 100 verschiedene zeichnungen des bückmuffels machen...: nicht parallel- sondern quernaturalismus." (TS)

Anagramme, Rebusse, Paradoxa, graphematische Figuren sind beliebte Formen von Tomas Schmits spielerischem Umgang mit Bildern und Wörtern. Das "Dünken" hat hierbei einen besonderen Stellenwert. "dünken nenne ich die freie, spekulative, konkrete, anakademische, spielerische variante des denkens. dünken nenne ich was gutes. (...) doch auch beim kopf gilt: 'vor gebrauch zu schütteln!'" (TS 1974)

Fotos: Katrin Schilling