08.02.–06.04.1997

"Alle meine Bilder bedürfen keiner zusätzlichen Interpretation. Sie sind als Vorlage für die Imagination des Betrachters geeignet. Bilder zu produzieren, durch deren Imagination die geminderte Lebenseffektivität des Betrachters nach jeder Art von Störung prompt erneuert wird, soll meine Lebensaufgabe sein." (Dietrich Orth).

Zeitgleich mit der Ausstellung von Franz Ackermann zeigt der Portikus Frankfurt Bilder des 1956 geborenen, heute in Kaufbeuren lebenden Künstlers Dietrich Orth. Es ist die erste Einzelausstellung von Dietrich Orth in einer öffentlichen Kunsthalle.

Kurze Zeit nachdem Dietrich Orth sein Abitur in einem hessischen Internat mit besten Noten abgeschlossen hatte, erkrankte er an einer Hirnteilfunktionsstörung. Im Rahmen einer Therapie begann er 1985 zu malen. Seither hat er außer-gewöhnliche und eindrucksvolle Bilder geschaffen, die in keine der gängigen Kategorisierungen passen wollen. Im Gegensatz zur sogenannten "Outsider-Kunst" sind Orths Werke weder expressiv noch naiv. Es sind vielmehr sorgfältig konzipierte, psychologische Kompositionen, denen eine Reihe von Studien und Skizzen vorangehen. Orth hat selbst immer wieder die konzeptuelle Seite von Kunst betont ("Eine künstlerische Idee entspringt der Dynamik der universellen Notwendigkeit und nicht der Phantasie"). Wiederkehrende Themen sind die sogenannte "Anwendung der Bilder an Körperpartien", die Wirkung von Psychopharmaka und psychisch-physische Zustände des Menschen.

In den meisten Bildern von Dietrich Orth finden sich kurze Texte, direkt auf die Leinwand geschrieben oder aufgeklebt. Diese Texte sind zugleich Titel, Einführung und Instruktion an den Betrachter, um anhand der "Vorstellungs- und Anwendungsbilder" (D. Orth) ein emotionales Gleichgewicht im Betrachter wiederherzustellen. Der Akt des Malens hat unter anderem therapeutische Qualität für Orth; darüber hinaus sieht er seine Bilder als Mittel der Therapie für den Betrachter. So äußerte sich Dietrich Orth 1993 in verschlungener und doch prägnanter Sprache, von sich in der 3. Person sprechend: "Seine Bilder bewirken eine verstärkte, innere Gefühlsintensität meist beim Gehen, sowie manchmal Schwingen des rechten Armes, das Aneinander Berühren der Zähne oder auch beim Liegen. Er macht die Erfahrung, daß mit relativ wenig Geduld die gleiche wohltuende Wirkung der Bilder mit vorgeschriebenen Relationen zum Körper bei allen Betrachtern gleich ist."

Foto: Katrin Schilling