21.10.–03.12.1995

Seit 1934 der Sozialistische Realismus als offizielle ästhetische Doktrin ausgerufen wurde, hatte die Photographie der ehemaligen Sowjetunion entweder angewandter oder illustrativ-dokumentarischer Natur zu sein. Alles andere wurde, soweit es existierte, als "Amateurphotographie" bezeichnet. Parallel zu der konzeptuellen Strömung in Literatur und Kunst in Moskau in den 70er Jahren, begann Boris Michajlov in seiner ukrainischen Heimatstadt Char'kov konzeptuelle Strategien auch in der Photographie zu entwickeln und anzuwenden.

Boris Michajlov wurde 1938 in Char'kov (Ukraine) geboren, wo er auch heute lebt und arbeitet. Zunächst war Boris Michajlov als technischer Ingenieur in einer Fabrik in Char'kov tätig, bis der KGB Ende der 60er Jahre sämtliche Negative seiner damaligen Photographien zerstörte und seine Entlassung aus der Fabrik bewirkte. Seither widmet sich Boris Michajlov ganz der Photographie. Er gilt heute als einer der wichtigsten Vertreter der russischen, konzeptuellen Photographie, als sogenannter "Kabakov der Photographie".

Michajlovs nunmehr fast 30-jähriges Schaffen ist außerordentlich vielfältig. Er fotografiert sich selbst wie auch seine Freunde in Inszenierungen und Studio-Sets; er verwendet das anonyme Photomaterial aus Familienalben für seine Kolorierungen und Verfremdungen; er "dokumentiert" die gesellschaftliche Verwahrlosung in den Straßen von Kiev und Char'kov seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion; er tönt den photographischen Abzug oder fügt handschriftliche Notizen hinzu. Immer arbeitet er in Serien, die Richtigkeit einer einzig möglichen Wahrnehmung in Zweifel ziehend.

Die Ausstellung im Portikus, welche anschließend in der Kunsthalle Zürich zu sehen sein wird, zeigt erstmalig einen Querschnitt seines eindrucksvollen Oeuvres, das im Westen bislang noch wenig bekannt ist.

Fotos: Katrin Schilling