02.09.–15.10.1995

Quasi über Nacht hat der 1968 in Remscheid geborene und heute in New York lebende Fotograf Wolfgang Tillmans mit Ausstellungen, Publikationen und seiner fotojournalistischen Tätigkeit für Zeitschriften (i-D, Spex, Interview) eine enorme Medienpräsenz und einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht. Seine Fotografien von so vielfältigen Ereignissen und Genres wie der Love Parade in Berlin und dem Evangelischen Kirchentag in München, dem Klinikum Hirslanden in Zürich, Stilleben, Landschaften usw., scheinen den Nerv der Zeit zu treffen, ohne sich auf pure Manifestationen eines Zeitgeistes reduzieren zu lassen.

Manche Kritiker sehen in Tillmans' Werk vor allem eine Beschäftigung mit den Themen Jugend, Generation X und Rave. Obwohl sich Tillmans offensichtlich seiner eigenen Generation verpflichtet fühlt, sind dies nicht so sehr die Themen als die Ausgangspunkte für eine tiefergehende Fragestellung nach Identität und (Re-) Präsentation. Tillmans erstellt nicht Typologien von gesellschaftlichen Gruppen bzw. von einer bestimmten Generation, sondern spürt vielmehr persönlichen Lebensentwürfen nach. Er ist kein Dokumentarist einer Jugendkultur oder eines Lifestyle, sondern fasziniert von dem Bild, das sich Menschen von sich selbst machen und das sie durch Mode, Körperhaltung und Pose vermitteln. Die Verkörperung dieses Selbstentwurfs im fotografischen Bild entsteht in oszillierender Wechselbeziehung mit dem Fotografen und den Inszenierungen und "Images", die dieser von den abgebildeten Personen entwirft.

Wolfgang Tillmans' Ausstellung im Portikus vereint großformatige Tintenstrahldrucke, Originalseiten aus Zeitschriften und Fotografien in unterschiedlichen Formaten. In verschiedenen Kontexten jeweils neu zusammengestellt, vermitteln sie eine Parallelität von Gedankenketten, die Sujets verbinden und ihnen Gleichwertigkeit beimessen.

Seit den späten 80er Jahren arbeitet Tillmans neben seiner Ausstellungstätigkeit als freier Fotograf für Magazine wie i-D, Spex, Interview. Dieses Medium kommt seiner Neigung entgegen, Bilder immer wieder neu zu arrangieren und sie einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen. Anläßlich der Ausstellung gibt der Portikus daher ein 32-seitiges Insert im Magazin Spex (Ausgabe 9/95) heraus, das deutlich macht, wie wenig Tillmans' Fotografien sich einengen lassen auf entweder Ausstellungs- oder fotojournalistischen Kontext.

Fotos: Katrin Schilling