03.06.–05.07.1995

Vor ein paar Jahren hat Eran Schaerf auf einem Flohmarkt in Amsterdam eine Kaffeedose gekauft; eine runde Dose aus Blech, mit Rosen bedruckt. Er hat sie fotografiert, so daß die runde obere Öffnung oval aussieht und die seitlichen Grenzen nicht zu erkennen sind. Auf Pergamentpapier fotokopiert und als Gegenstand neu zusammengeklebt, sieht sie nun teils wie die Dose aus Blech und teils wie deren Abbildung aus. Jahre später, auf einem Flohmarkt in Warschau, hat Eran Schaerf wiederum eine mit Rosen bedruckte Dose entdeckt, diesmal oval wie die Dose aus Papier und aus Blech wie die runde Dose. Nun gibt es also drei Dosen mit Rosen: eine runde Blechdose, eine ovale Blechdose und eine ovale Papierdose mit einer abgebildeten runden Dose. (vgl. E.S. in: De Witte Raaf, Gent, Nov. 1993)

Die kleine Geschichte von den Dosen mit den Rosen ist aber noch nicht zu Ende: Bei Eran Schaerfs Arbeiten gibt es keinen Anfang und kein Ende, sondern vielmehr Bezüge, Ähnlichkeiten, Korrespondenzen. Manche Gegenstände ziehen sich durch sein Werk: Stoffe, Fäden, Papier, Gedrucktes, Bedrucktes. In verschiedenen Materialisationsformen und -zuständen tauchen sie auf; sie werden, der Sprache und ihrer Bestandteile -der Wörter- vergleichbar, nicht jeweils neu erfunden, sondern in verschiedenen Kontexten anders gebraucht.

In Eran Schaerfs Ausstellung "Zaun-Town" ist der Frankfurter Portikus das, was er ist - ein Container für Kunst - und zugleich ein Schauplatz für Mode, Wirtschaft und Religion. Hunderte von Paletten werden terassenförmig angeordnet zu einer Art Bühne, auf welcher sich Sequenzen abspielen, die durch Sprache/Bilder/Dinge untereinander verbunden sind. Ein halbtransparenter Vorhang und ein geöffneter Sari im Eingangsbereich des Portikus verhüllen und machen gleichzeitig neugierig auf das, was sich dahinter erahnen läßt; eine lange, orangefarbene Stoffbahn ist mit staccato-artigen Textfragmenten bedruckt, die von indischen Seidenstoffen, Reliquien und Juwelen erzählen (Tausch- und Handelsobjekte, die im gesellschaftlichen Leben mit einem gewissen spirituellen "Mehrwert" behaftet sind); und Vertiefungen und Baldachine betonen die Mehrschichtigkeit des Raums. Farbige Andrucke und Textkarten ähneln Storyboards, die sprachlich und bildlich die Story beginnen, abbrechen, neu ansetzen, verknüpfen, fortführen.

Eran Schaerf wurde 1962 in Tel Aviv geboren, er lebt in Berlin und Brüssel. Durch seine Teilnahme an der documenta 9 in Kassel und an der Aperto in Venedig 1993 ist er international bekannt geworden.

Fotos: Katrin Schilling