01.12.1994–01.01.1995

"Addendum" nennt der Künstler diese Ausstellung, also lateinisch für Zusatz, Nachtrag, Ergänzung, Beilage. Der 1960 geborene Engländer Steven Pippin tritt seit der Mitte der 80er Jahre durch seine Photographie mit einer Loch-Kamera hervor. Parallel dazu entstehen technische Objekte mit laufenden Fernsehern und Lautsprechern, die wie aus einem technischen Museum des nächsten Jahrhunderts wirken.

Die Photographien zeigen im Gegensatz dazu in größter Ruhe und Selbstverständlichkeit die Welt vor uns. Genaugenommen ist es beim Betrachten der Photographie die Real-Situation hinter uns. Steven Pippin will ein Photo für die Rückwand des Portikus-Raumes machen, das einen technisch feinen schwarz-weiß Blick auf die Eingangsinnenseite des Raumes bietet - gleißend hell die zwei Fenster symmetrisch zur zentralen Tür - Licht und Raum.

Vor der Ausstellung im Portikus wird der hintere Teil mit einer Wand abgeteilt und verdunkelt. Durch ein zentrales Loch in der Wand wird Photopapier wandfüllend über einen Zeitraum von mehr als 24 Stunden belichtet. Auf dem Photo entsteht also durch eine lange Zeitspanne ein Selbstbildnis der Ausstellungshalle Portikus. Was sich in dieser Zeit nur für Minuten in der Portikus-Halle aufhält oder bewegt, findet kaum einen Niederschlag auf dem Papier. Der Dunkelraum wird dann zum Labor für die Entwicklung des Abzugs. Danach kann die Trennwand abgebaut und die Photowand aufgehängt werden. So wird der Portikus-Container zur Kamera, zum Labor und Ausstellungsort des Werkes.

Der Künstler dramatisiert damit auf diese sehr stille Weise nicht nur die infrastrukturelle Raum-Situation eines Präsentationsortes von Kunst. Zu sehen ist auf simpelste Weise, was Photographie sein kann - ein gegenwärtiges Bild von vergangener Zeit am konkreten Beispiel des Ortes. Das Bild zeigt was es sah. Ein Kritiker schrieb anläßlich einer ähnlichen Ausstellung Steven Pippins in New York im Mai diesen Jahres von der philosophischen Qualität dieser Loch-Photographie: "What has he photographed? A present place in time past. Time itself."

Das Photo kann nur in dem Kontext seiner Entstehung, also in diesem Fall im Portikus verstanden werden. Wie ein Spiegel reflektiert das Photo die Raum- und Lichtverhältnisse.

Im Nebenraum des Portikus ist ein Video von Steven Pippin zu sehen. Das Video hat den Titel "the continued saga of an amateur photographer". Es entstand im Winter 1993 in einer Zug-Toilette während der Fahrt von London nach Brighton. Wie Steven Pippin sagt, handelte es sich auch dabei weniger um eine persönliche Obsession, als vielmehr um eine Herausforderung an diesem schwierigen Ort eine obskure photographische Perfektion zu erreichen.

Fotos: Katrin Schilling