27.08.–02.10.1994

Die Multi-Media-Installation "System for Dramatic Feedback" wurde eigens für den Portikus entwickelt. Dieses Werk führt eine Gruppe von video-projizierten Bildern, skulpturalen Elementen und vorhandener Architektur zusammen. Entstehen soll ein vollständiges Umfeld, in das der Betrachter eintritt.

Der Künstler Tony Oursler (geboren 1957, lebt und arbeitet in New York) hat sich das Thema der Massenmedien gewählt, hier vertreten durch die Anspielung auf Kino, Fernsehen und ihre Beziehung zu verschiedenen Formen psychologischer und sozialer Störungen. Die Auswirkungen der Darstellung von Gewalt und Sex werden in den USA diskutiert und studiert. Obwohl sich keine definitiven Ergebnisse abzeichnen, weisen einige Evidenzen auf einen Anstieg von Gewaltkriminalität in diesem Zusammenhang. Der Psychiater Bozzuto erkannte 1975 vier neue Fälle von Dämonen-Besessenheit. Jeder der Fälle entwickelte sich innerhalb von Tagen nach dem Ansehen des Films "Der Exorzist". Er nannte diese Ereignisse "Film-Neurosen", andere schlugen "hysterische Psychosen" vor.

Ein neueres Beispiel von Gewalt, wie der 1989 von Teenagern begangene Mord, bei dem ein Nicht-Seßhafter verbrannt wurde, folgte direkt der Ausstrahlung eines Fernseh-Dramas, in dem derselbe Vorgang dargestellt wurde. Diese Art der so zahlreichen öffentlichen Zerstörung des menschlichen Körpers löst die Trennung zwischen Tele-Medien und realer Welt nicht ein und das geht auf anderen Ebenen weiter. Die Medien haben einen Spiegeleffekt auf die Bildung des Selbstverständnisses der Betrachter. Sie haben darin Vorbildcharakter und wirken so auf die Herausbildung von Wünschen. Auch kann man diese Medien als ein Vehikel für die Entwicklung zu einem gebrochenen Selbst ansehen. Diese Beispiele zeigen eine sehr viel kompliziertere Verbindung, als Ursache und Effekt, wenn man das Betrachterverhalten der Amerikaner als eine Art von Regler für die Medieninhalte sieht.

Diese Installation ist ein Modell, in das der Betrachter eingeladen ist, den oben beschriebenen Diskurs weiterzuführen. Es kann als ein Feedback-System von drei thematischen Elementen gesehen werden: das Individuum, soziale Interaktionen und die "Pop-Medien". Wie bei allen Feedback-Systemen zirkuliert die eingegangene Information fortlaufend, wobei sie sich steigert, verfeinert und verzerrt. Der Portikus-Raum ist in drei korrespondierende skulpturale Elemente unterteilt: Einfühlungsvermögen, Mutation und Zuschauer.

Zuerst ist das Einfühlungsvermögen angeregt durch eine kleine gefühlsbetonte Figur, die alleine in einer Ecke steht. Diese puppenartige Figur hat ein Video-Gesicht, das auf die Figur projiziert wird, um eine tatsächliche, telemediale Entität zu erzeugen. Das Gesicht verändert sich zu verschiedenen expressiven Gefühlsschreien, wobei es die Betrachterfähigkeit befragt, emphatische Beziehungen zu entwickeln.

Zweitens sind Mutationen gebildet innerhalb eines großen Haufens von Dummies, der fast bis zur Decke des Raumes reicht. Die Dummies sind aus gefüllten Kleidern gemacht, die in einen ständigen körperlichen Strom gezwungen werden durch die Video-Bilder, die auf sie projiziert werden: Hände, die abwechselnd schlagen und zärtlich sind; ein sich wogender, schwangerer Bauch, sich verformende Gesichter und schwankende Genitalien.

Zuletzt sind da die "Audience", die Zuschauer als solche, als eine große, wandfüllende Projektion von Menschen, die in einem Filmtheater sitzen. Aufgenommen sind diese Bilder aus dem Blickwinkel der Filmleinwand. Der projizierte Video-Film füllt die Rückwand des Portikus. Dadurch versteht sich die Installation als die Filmleinwand, der Platz des Dramas. Die sich im Raum bewegenden Zuschauer werden zur Aktion auf der Leinwandfläche. Dies kehrt die Beziehung um und formt eine elektronische Kulisse für den Betrachter und den Rest der Installation. Bei dem Umhergehen des Ausstellungsbesuchers in der Installation wird er in verschiedene psychische und psychologische Rollen geworfen: in emotionelle Schwingung, als physisches Objekt, als Gruppen-Mitglied und als Voyeur beziehungsweise Betrachter und umgekehrt.

Tony Oursler hat viele Musik-Videos produziert, er war Teilnehmer der documenta IX und zuletzt nahm er an Dan Grahams Symposium "Rock/Raum" in der Städelschule teil.

Fotos: Katrin Schilling