26.02.–04.04.1994

Die in Hamburg lebende Künstlerin Wiebke Siem (geboren 1954) zeigt im Portikus zum ersten Mal ihre aktuelle Werkgruppe "Kleider, Frisuren, Tücher, Wagen", die bis jetzt nur in kleineren Ensembles zu sehen waren, nahezu vollständig. Die freie Situation des PORTIKUS bietet die Möglichkeit, den Raum mit Objekten aufzufüllen, zu einer Art anthropologischem Museum auf Zeit.

Fast enzyklopädisch isoliert Wiebke Siem Typen aus Gebrauchsgegenständen. Sie bleibt dabei mit ihren Zeichnungen und Objekten eng am menschlichen Körper. Bis 1991 waren es Kleider, Hüte, Taschen, Schuhe. Die Reihe der Typen entwickelt sie zuerst in ihren Zeichnungen. Schon hier wirken die Gegenstände ungewöhnlich starr, wie gegossen, wie gefüllte Volumen. Ein Gebrauch ist nur vermeintlich denkbar. Die liebliche Farbigkeit unterstreicht die leichte Ironisierung, die bei Wiebke Siems Arbeiten auffällt. Die Kleider wirken massiv und klotzig, mehr wie Rüstungen, die Frisuren wie Helme, die Tücher wie Matten, die Wagen unbeweglich. Der Gedanke, diese Objekte zu benutzen, vergeht beim ersten Blick. Um diese Wendung zu unterstreichen, gibt es im Katalog einzig Zeichnungen. So wird der Modellcharakter vorgeführt. Die notwendige Distanz bleibt erhalten, die durch photographische Abbilder der Originale übersprungen würde.

Die Nähe zum Kostümbild, zu Requisiten des Theaters ist wichtig. Was übrigbleibt von einer Kultur findet man im Schauspiel oder in Grabbeigaben. Was im Gebrauch ist, wandelt sich. Dagegen verkörpert der Kultgegenstand Zeitlosigkeit und hinterfragt das alltägliche Dasein.

Die Ansammlung der "Kleider, Frisuren, Tücher, Wagen" von Wiebke Siem bleibt fragmentarisch. Auch wenn hier diesmal fast alle realisierten Objekte der seit 1991 entwickelten Gruppe versammelt sind, bleibt der einzelne Objektcharakter und die Weiterführbarkeit der Reihe präsent. Deutlich wird um so mehr, daß durch Wiebke Siem eine Befragung nach den Grundformen menschlicher Kultur stattfindet. Die erzielte altmodische Wirkung und Starre ihrer Arbeiten ist wunderbar faszinierend, wie ein Märchen.

Fotos: Katrin Schilling