15.01.–20.02.1994
Im Portikus wird die Künstlerin vier identische Skulpturen installieren: Vier schwarze Konzertflügel werden den Raum zu einer begehbaren Bühne machen. Auf jedem der Flügel ist eine weiße, durchscheinende Eiform plaziert. Die Installation heißt "NEWBORN", wie die Skulptur von Constantin Brancusi, die Sherrie Levine als Vorlage für die Glasovale wählte. Mit 'new born'(englisch für 'neu-bringen', 'neu-gebären') kann man die Verfahrensweise der Künstlerin beschreiben. Auch ein entscheidender Anspruch der Moderne könnte so benannt werden.
Die Installation im Portikus geht auf ein Photo zurück, das Sherrie Levine in einem Kunstmagazin entdeckte. Das Photo gibt einen Blick in das ehemalige Wohnhaus des Kunstsammlers H.S. Ede in Cambridge, England. Das Wohnhaus wird jetzt als Museum genutzt und zeigt den privaten Umgang mit Kunst. Auf dem dortigen Klavier ist eine Ovalfigur von Brancusi plaziert.
Sherrie Levine verwandelt den leeren, weißen Portikus-Container in eine reale Fiktion, in ein kritisches Bild über die Kunst. Die vier Klaviere mit ihrem applizierten i-Punkt reizen als Oberfläche. In ihrer formalen Reihung wenden sie sich ins Unnahbare ab. Diese starke bildnerische Realität ist die Grundlage für Bedeutung und Bewußtsein.
Indem Sherrie Levine entscheidende Werke der modernen Kunstgeschichte auf ihre Weise wiederentdeckt und neu inszeniert, attackiert und unterstreicht sie gleichzeitig das errungene Dogma der Moderne. Die geforderte zeitlose Autonomie und herkunftslose Originalität eines Kunstwerkes des 20. Jahrhunderts erhält im kalkulierten Einsatz der historischen Vorlage einen kritischen Knick, um durch Sherrie Levines formale Weiterführung neu eingelöst zu werden.
Die 1947 in Hazleton, Pennsylvania geborene Künstlerin irritiert und fasziniert seit den frühen 80er Jahren durch ihre unverschleierten kunsthistorischen Bezugnahmen. Die Veränderung in der Dopplung und der kalkulierte Einsatz erinnern an Duchamps `ready-mades', seinem Spiel mit vorgefundenen Alltagsgegenständen. Sherrie Levine führt das Konzept, mit Vorgefundenem zu arbeiten, weiter, indem sie auf die Kunst zurückverweist. Sherrie Levine greift die Kunstgeschichte der Moderne auf, verfremdet sie durch Reihung und schafft eine neue skulpturale Realität.
Der Portikus-Container wird wieder zu einer idealen dreidimensionalen Fassung für ein Kunstwerk. Sherrie Levine nutzt ihn als aktuelles Kulturhaus auf Zeit.
Fotos: Katrin Schilling