03.07.–08.08.1993

Nach fünf Jahren und zehn Monaten kann der Portikus nun mit seiner 50. Ausstellung aufwarten - ein Ergebnis, das um so bemerkenswerter ist, als das Basisprogramm, über das seit diesem Jahr auch eine Ausstellungsvorschau informiert, mit einer kontinuierlichen Katalogproduktion einherging- und geht. Darüber hinaus wurden eine Vielzahl von Begleitveranstaltungen angeboten: Aktionen, Nebenausstellungen, Vorträge, insbesondere die von Rüdiger Carl organisierte Reihe Musik im Portikus, die im vergangenen Jahr durch die von Urs Breitenstein veranstaltete Reihe Film im Portikus abgelöst wurde.

Die Jubiläumsausstellung, die John Wesley und Paul-Armand Gette bestreiten, steht beispielhaft für die Programmatik der Institution selber ein, insofern, als gerade hier ein hoher künstlerischer Anspruch mit dem Wagnis zum Experiment zusammenfallen.

Der amerikanische Maler John Wesley, 1928 in Los Angeles geboren und in New York lebend, gehört zu den wenigen Künstlern, die unberirrt von zeitgenössischen Moden über Jahrzehnte hinweg ein kontinuierliches Ouevre erarbeitet haben, das sich dem schnellen Zugriff entzieht. In den sechziger Jahren firmierten seine Arbeiten unter dem Etikett Pop Art, doch es wurde bald deutlich, daß die Korrespondenzen zu seinen Malerkollegen Roy Lichtenstein und Tom Wesselmann etwa nur sehr beschränkt Geltung beanspruchen konnten. Wesleys Malereien, obwohl dem Comic und dem amerikanischen everyday life verpflichtet, gewinnen nichtsdestoweniger aus diesem Fond heraus eine ungewöhnliche geistige Tiefe: sie entwinden dem Gewöhnlichen all die großen Themen, die in der abendländischen Tradition gegenständlicher Malerei eine Rolle gespielt haben und spielen, Themen, die von Leidenschaft, Liebe, Haß, Versagen, menschlicher Niedertracht, Aufgeblasenheit, Gier erzählen und vom Traum. In der ornamentalen Handhabung der Bildfläche entfaltet Wesley die ihm eigene Doppelbödigkeit und den Witz des piktoralen Sinnes.

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog, der zusammen mit dem Stedelijk Museum, Amsterdam, der anschließenden Ausstellungsstation ( 27.8.93 - 10. 10.93), erarbeitet wurde. Parallel zu Ausstellung im Portikus zeigt der Kunstverein Ludwigsburg, Ludwigsburg, Gouachen von John Wesley (6.7.93 - 14. 8.93). Die Ausstellung der Gouachen wandert anschließend in die DAAD - Galerie Berlin (27.8.93 - 26.9.93).

In den Toiletten des Portikus wird der französische Künstler Paul-Armand Gette, 1927 in Lyon geboren und in Paris lebend, eine Arbeit mit dem Titel Die Toiletten - Nymphe realisieren. Die Installation geht auf ein Konzept von 1967, Eter Salle de Bain, zurück, die zum ersten Mal Anlaß gab, über diesen "Ort der Entblößung und der Körperpflege, aber auch über die Isolierung, ganz abgesehen von den Betätigungen, die hier dem Eros gewidmet sein können" (Gette), zu reflektieren. Ein sicherlich ungewöhnliches und prekäres Unterfangen, denn Gettes Arbeit stößt, indem sie in eine gleichermaßen alltägliche wie tabuisierte Zone vordringt, mitten in den Grenzbereich zwischen Privatheit und Öffentlichkeit und stellt damit den Kontext künstlerischer Rezeption grundsätzlich noch einmal neu zu Disposition.

Beide Künstler, Gette und Wesley, sind - ohne einander zu kennen - über die Thematik des Erotischen miteinander verbunden. Dem Zusammentreffen dieser beiden ganz eigenen Charaktäre darf man mit Spannung entgegensehen.

Fotos: Katrin Schilling