24.03.–24.04.1988

Erik Bulatov wird im Portikus, in seiner überhaupt ersten Einzelausstellung einem breiteren Publikum vorgestellt werden. 12 Werke, zum Teil großen Formats, gewähren einen umfassenden Einblick in sein Schaffen der vergangenen 20 Jahre und einen Ausblick auf die noch kaum bekannte moskowitische Kunstszene.

Losgelöst von jeglicher westlicher Kunstentwicklung, hat Erik Bulatov eine eigenständige Ausdrucksform geschaffen, indem er den offiziell propagierten sozialistischen Realismus stilistisch und inhaltlich subtil transformiert. Realistische Darstellungen überlagert er oft mit persönlichen und politischen Losungen, die die Tiefenillusion des Bildraumes entweder verstärken oder unterbinden. Die überdimensionierte Typographie, die aus politischen Propagandabannern entlehnt scheint, verleiht den Mitteilungen besonderen Nachdruck und allgemeine Verbindlichkeit. Zwischen Bild und Text ergibt sich ein merkwürdiges Spannungsverhältnis, da sie sich gegenseitig in Frage stellen, statt - wie üblich - sich eindeutig festzulegen und zu interpretieren.

Bulatovs Auseinandersetzung mit bestimmten Sprachen und Zeichensystemen geht über eine postmoderne Spielerei hinaus, da er nicht beliebige Ausdrucksformen verwendet, sondern diejenige, die gleichzeitig die unverrückbaren ideologischen Normen seiner sozialen Umgebung verkörpert. Er weist auf die Grenzen des verwendeten Sprachsystems hin und läßt gleichzeitig die Fiktion und Zerbrechlichkeit der sichtbaren Welt deutlich werden.

Nachdem sich Perestroika und Glasnost bis jetzt vor allem im kulturellen Bereich ausgewirkt und zu einer merklichen Dynamisierung des Kunstschaffens in Moskau geführt haben, scheint es wichtig, bei der nun zu erhoffenden Öffnung der Sowjetunion von Anfang an durch Einzelausstellungen nicht nur Informationslücken zu schließen, sondern auch Wertmaßstäbe und Orientierungshilfen zu setzen. Erik Bulatov gehört, wie Ilya Kabakov, der mit ihm eng befreundet ist und der im Oktober dieses Jahres (parallel zur Buchmesse) ausstellen wird, zu einer kleinen, zähen Gruppe unabhängiger Künstler, ohne deren Pionierarbeit die jetzige Regeneration der Moskauer Kunstszene absolut undenkbar wäre. Die Klarheit von Bulatovs künstlerischer Position, die Ehrlichkeit und Verbindlichkeit seiner Werke machen ihn zu einem überzeugenden Vertreter aktueller sowjetischer Malerei.

Kurzbiographie
Erik Bulatov wurde 1933 in Swerdlowsk geboren, 1936 Übersiedlung nach Moskau. 1947-58 Kunstschule in Moskau und Surikow Institut. Seither lebt und arbeitet er in Moskau. Seine Tätigkeit als Illustrator sichert ihm den Lebensunterhalt und die Mitgliedschaft im Künstlerverband. Als nichtoffizieller Künstler konnte er bisher seine Werke kaum ausstellen oder verkaufen, was sich nun geändert hat.