16.01.–21.02.1993

Jean-Frédéric Schnyder, 1945 geboren und in Uttigen in der Schweiz lebend, ist ein Künstler, der in keine Schublade paßt, dem die Disparität und Diskontinuität seines Werkes zur Lebensnotwendigkeit geworden ist.

Einmal hat Schnyder geoffenbart, "daß es bei mir einen ewigen Traum gegeben hat, Landschaftsmalerei zu betreiben, mich also an dieser uralten Aufgabe zu versuchen, ganz reell, mit einem normalen Tagesablauf: auszuziehen mit einer kleinen Staffelei, lucky ein Bild zu malen und abends mit gutem Appetit nach dem langen Tag an der Luft nach Hause zu kommen." Schnyder weiß, wovon er spricht. Seit 1982 hat er die Landschaft kreuz und quer durchreist, mit seinem Velo, die Staffelei auf dem Rücken, oder per Generalabonnement der Schweizer Bahn. Daraus sind 126 Berner Veduten (1982/83) im Tagesrythmus entstanden, 1988/89 folgten die Serien der Wartesäle und der Bänkli. Solchermaßen hat sich Schnyder einem Publikum und seiner Kritik ausgesetzt, für welches die Arbeit des Malers immer etwas Exotisches bleiben wird. Doch nicht minder für das gelehrte Kunstpublikum behalten Schnyders Bilder etwas Rätselhaftes. Wie kann sich jemand mit derselben Intensität dem Abend am Thunersee, seinem Hund Dritchi, Drei Schaumgummischwämmchen widmen, eine Fülle abstrakter Bilder malen und nicht zuletzt gar wagen, das Thema Hänsel und Gretel in Angriff zu nehmen? Patrick Frey hat uns einen Fingerzeig gegeben: Das kann nur jemand, der sich "diese Mischung aus Lebensnähe und tief zweifelnder Intelligenz" bewahrt hat.

Man muß wissen, daß Schnyder erst relativ spät und als Autodidakt zur Ölmalerei gefunden hat und sich dazu bekennt. Zuvor, gegen Ende der sechziger und zu Anfang der siebziger Jahre hat er erfolgreich Werke produziert, die der Pop Art und schließlich der Concept Art nahestanden. Aber da war noch die Liebe zur Normalität, zum Leben ringsum in all seiner Doppelbödigkeit, seinen abgrundtiefen Wertgefällen, seiner Heterogenität und Einfachheit. All dies ist in der Malerei Schnyders thematisch, und dies macht ihn wie keinen anderen zum Zeitgenossen.

Jean-Frédéric Schnyder, obwohl vielen ein alter Bekannter, bestreitet nun mit der Ausstellung "Landschaft" im Portikus Frankfurt seine erste Einzelausstellung in einer öffentlichen deutschen Kunsthalle. Hinter den unverdächtigen Titel - so wird man feststellen - verbirgt sich allerdings alles andere als ein weiteres Kapitel konventioneller Landschaftsmalerei. Vielmehr eröffnet der 1990/91 entstandene Zyklus, indem er Tiefen einer spezifisch gegenwärtigen Bewußtseinslage auslotet, die ganze Spannbreite der Schnyderschen Kunst.

Fotos: Katrin Schilling