05.09.–27.09.1992

Candida Höfer (geb. 1944 in Eberswalde, in Köln lebend) gehört neben Thomas Ruff, Thomas Struth und Andreas Gursky zu den prominentesten Künstlern, die aus der Fotografie - Klasse der Bechers an der Düsseldorfer Kunstakademie hervorgegangen sind und in Auseinandersetzung mit deren rigoroser Konzeptualität eine ganz eigene Bildsprache entwickelt haben. Im Portikus Frankfurt wird die Künstlerin eine Auswahl von ca. 40 Fotografien vorstellen, die schwerpunktmäßig in jüngster Zeit entstanden, doch gleichwohl durch einige Aufnahmen ergänzt sind, die bis in die frühen 80er Jahre zurückreichen.

Räume - dieser Ausstellungstitel beschreibt nicht nur ein bestimmtes Sujet, eine motivisch zusammengehörige Auswahl des Darstellungsmöglichen: für Candida Höfer ist es ein grundlegendes Thema, dessen sie sich seit Jahren intensiv und ausschließlich widmet.

Obwohl die Künstlerin ausnahmslos in öffentlichen Gebäuden fotografiert: Bibliotheken, Sanatorien, Museen, Universitäten, Sitzungssälen und Warteräumen, so vergegenwärtigen die Aufnahmen gewöhnlich dennoch einen Moment, der von der Abwesenheit jeglichen Lebens gekennzeichnet ist. Das macht die eigentümliche Distanz und Kühle dieser Bilder aus. Charakteristisch ist auch, daß die Wahl des Betrachterstandpunktes sich keinem bestimmten Schema unterordnet, vielmehr einer subjektiven Befindlichkeit entspringt. Die jeweiligen Orte kommen solchermaßen in ihrer spezifischen Atmosphäre und Individualität zu Gesicht.

Dabei spielen die in der Geschichte ihrer Nutzung vollzogenen Veränderungen der Räume, worin eine ursprünglich geplante Raumorganisation nach und nach einem je verschiedenen Geschmacksbedürfnis ebenso wie topographischen Erfordernissen entsprechend zugerichtet werden, eine entscheidende Rolle. Um zwei Beispiele zu geben: Die Aufstellung der Getränke- und Kaffeeautomaten im Foyer des Teatro Olimpico, Vicenza (1988) verdankt sich wohl einem vergeichbaren Impetus wie die Einrichtung von Heizkörpern und Sitzbänken im Musée Antoine Wiertz, Brüssel (1985), nämlich dem Bedürfnis, einen historisch gegebenen Raum zuhanden zu machen. Die jeweilige Anordnung dieser Gegenstände - so etwa die eigenartige Verdoppelung von Sitzgelegenheiten und Heizkörpern, die das letztgenannte Foto vor Augen führt - bringt indessen eine bestimmte Ästhetik zur Sprache, die nur hier und nur dort die Individualität der Räume prägt.

Dergestalt handeln Höfers Fotografien, gerade weil sie sich der Anwesenheit des Menschen und somit einer nur momentan auffindbaren Situation enthalten, indirekt eben auch vom Menschen, wie er sich in seiner Welt einrichtet. Einen unter möglichen historischen Bezugspunkten solcher Sehweise mag man in den Fotografien Jean-Eugène Atgets erkennen.

Mit der Ausstellung der Arbeiten Candida Höfers setzt der Portikus die Reihe von Präsentationen herausragender zeitgenössischer Fotografie fort, um die man sich von Anfang an bemüht hat. Hier sind Bernhard und Anna Blume, Thomas Struth, Thomas Ruff und Gerald Domenig anzuführen, um nur diejenigen Künstler zu nennen, deren Arbeit sich ausschließlich mit Fotografie beschäftigt.

Fotos: Katrin Schilling