18.07.–26.07.1992
Die 1985 in Frankfurt am Main gegründete Rezensionszeitschrift LISTEN hat sich nach Erscheinen der zweiten Ausgabe dafür entschieden, den textunabhängigen Bildteil der Zeitschrift Künstlerinnen und Künstlern für die Publikation einer ihrer Arbeiten freizuhalten. Gerald Domenig (Heft 3) und Thomas Bayrle (Heft 5) setzten danach sowohl durch ihre Vorschläge als auch durch die Präsentation eigener Werke neue Maßstäbe für die weitere Gestaltung der folgenden LISTEN-Ausgaben. Für viele Leserinnen und Leser war diese bisher nicht gesehene Art der Veröffentlichung von Fotografie und Kunst im Rahmen einer literarischen Zeitschrift irritierend und produktiv zugleich. Die Kunst sollte nicht als Illustration mißbraucht, sondern für sich selbst stehen. LISTEN hat damit einen Austausch zwischen den Bereichen Literatur und Kunst begonnen, der so selten zustande kommt.
Die LISTEN-Konzeption sieht vor, daß je nach Heftumfang mindestens sechs ganze Seiten (inklusive Titelblatt) einer Künstlerin zur Verfügung gestellt werden, auf denen sie, unabhängig vom Text, ihre Bilder - allerdings im Spektrum schwarz/weiß - zeigt. Das können Fotografien sein, aber auch Computerzeichnungen (Max Mohr, Heft 7), Aquarelle (Beate von Essen, Heft 8), fotografierte Skulpturen (Bertram Schüler, Heft 9), neuartige Fotogramme (Vollrad Kutscher, Heft 10), Montagen aus Fotoautomatenbildern (Andreas Bartels, Heft 19) oder Kopiegrafie-Arbeiten (Charly Steiger, Heft 21).
Die inhaltlich unabhängige Konfrontation von künstlerischem Bild und Texten schaffen den Phantasieraum öffnende Möglichkeiten eines anderen Lesens: Ohne daß sich Bild und Text in ihrer Aussagekraft beschneiden, ergeben ihre Gegenüberstellungen oft unvermutete Imaginationen, Reflexionen und Erkenntnisse. Diese Erfahrungen erweitern und verändern sich auch durch den Vergleich der unterschiedlichen LISTEN-Ausgaben, deren Charakter wesentlich durch die Bilder geprägt wird.
Die Auswahl der Künstler und ihrer Arbeiten orientiert sich nicht an einer bestimmten Kunstrichtung oder Künstlergruppe, sondern in einem kommunikativen Prozeß, der auch durch die beteiligten Künstler weitergetragen wird. Neben der Präsentation aller LISTEN-Ausgaben entlang der Wände des PORTIKUS zeigen die Künstlerinnen auf sieben im Innenraum verteilten Säulen neue Werke. Die Kombination der Darstellung der in der Zeitschrift gedruckten Bilder mit den ausgestellten künstlerischen Arbeiten in einem einzigen Ausstellungsraum, wie sie im Portikus gegeben ist, wird sicher selbst für die Aussteller voll überraschender Momente sein.
Da die überwiegende Mehrheit der Beteiligten in Frankfurt am Main lebt und arbeitet, bietet sich die Chance, eine Vielfalt aktueller Kunstproduktion in Frankfurt zu sehen, wie sie in einem solchen Zusammenhang noch nicht gezeigt wurde.
Foto: Katrin Schilling