22.02.–31.03.1992

Erstmals in Europa präsentiert der PORTIKUS Frankfurt am Main das komplette Oeuvre aller bis 1990 entstandenen Multiples Claes Oldenburgs (geb. 1929 in Stockholm), der zu den wenigen genuinen Begründern amerikanischer Pop Art zählt.

Das Multiple wurde in einer Zeit des Aufbruchs geboren, einer Zeit, in der die Künstler wie nie zuvor den Kontakt zum Leben auf der Straße suchten. Nicht von ungefähr bewegten sich Claes Oldenburgs frühe, einschneidende Arbeiten, The Street (Die Straße, 1960) und The Store (Der Laden, 1961), ähnlich wie Warhols Schaufensterdekoration im New Yorker Kaufhaus Bonwit Teller (1961), auf eben jenem offenen Terrain, auf welchem Alltagswelt und Kunst auf bislang ungewohnte Weise ineinandergreifen sollten.

Der gewöhnliche Alltagsgegenstand - und das hieß im amerikanischen Kontext unbeschränkter Produktion und Konsumption: das Warenprodukt in seiner ekstatischen Bedeutung - erschien als das geeignete Vehikel, die Kunst in die Sphäre des täglichen Lebens hineinzukatapultieren. Dabei ging es nicht einfach um Reproduktion, um Ästhetisierung des Trivialen. Das "fabrizierte Objekt" - und nichts anderes ist das Multiple - bedeutete für Oldenburg, wie er 1963 notierte, einen "im herkömmlichen, industriellen Verfahren nach Plänen des Künstlers hergestellten Gegenstand, der seinen Zwecken dient und nicht den Zwecken, für die die in diesem Verfahren hergestellten Gegenstände normalerweise bestimmt sind."

So sind die frühesten Multiples, die California Ray Guns (Kalifornische Strahlengewehre, 1963-64), nicht bloß Abgüsse kitschiger Souvenirs, es sind vielmehr hybride Produkte von Warenkopulationen. Seither ist Oldenburg wie kein anderer Künstler gerade der versteckten Sexualität auf der Spur, welche eine Gesellschaft mit puritanischen Weltvorstellungen in die Welt der Waren hineinverlagerte. Das Multiple, das sich selbst wie eine Ware gebärdet und also gewissermaßen einen Zwitter zwischen einem fetischisierten Objekt und einem Gegenstand interessenlosen Wohlgefallens darstellt, erwies sich als ideale Möglichkeit solcher Explorationen.

Nicht, daß der Aspekt des Fetischismus immer so offensichtlich wäre wie bei den London Knees (1966) etwa. Ein scheinbar harmloses Motiv wie der Teebeutel geriet in Form von Oldenburgs Tea Bag (1966) zu einem Objekt, das eine Fülle von Konnotationen freisetzt. Und selbst die Geometric Mouse (1971), die doch auf ein Comic voll geschlechtsloser Wesen zurückgeht, enthüllt spielerisch ihre erotische Valenz. Niemals sind Oldenburgs erotische Projektionen vordergründig, sie bewahren jene assoziative Offenheit, die der kontemporären Kunst von Anbeginn eigen ist.

Ursprünglich waren die Multiples Kunst, die wegen ihres geringen Preises von jedermann erworben werden konnte, das Wedding Souvenir (Hochzeitsandenken, 1966) wurde gar verschenkt. Doch mit Oldenburgs steigendem Ruhm und steigenden Preisen geriet dieser Aspekt mehr und mehr ins Hintertreffen. Unverändert aber blieb die projektive Phantasie, die der Künstler seinen Objekten einverleibt, und die auf dem Wege der Multiplikation einer Vielzahl von Menschen zugänglich wird.

Fotos: Katrin Schilling