13.04.–26.05.1991

Die Arbeit des Amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky ist gekennzeichnet durch einen weitgespannten Rahmen von Ausdrucksformen, deren Vielgestaltigkeit sich in kein stilistisches Konzept fügen läßt. Dementsprechend verblüffen seine Ausstellungen und Installationen immer wieder durch ihre völlig konträren Erscheinungsweisen, die sich zwischen der sparsamen Konfiguration elementarer Bildvorstellungen und dem chaotischen Durcheinander bildlicher Versatzstücke bewegen.

Ende der sechziger Jahre versuchte Borofsky, die formale Einfachheit der Minimal Art mit der direkten Bildlichkeit der Pop Art zu verbinden, um neuen Ansätzen von subjektiver Gegenständlichkeit und inhaltlicher Bedeutung Ausdruck verleihen zu können. 1967 hörte Borofsky auf, "Kunst Objekte" zu machen und begann damit, seine Gedanken und Zahlen-Meditationen aufzuschreiben, die er als eine Serie photokopierter Bücher in mehreren Concept Art - Ausstellungen präsentierte. 1969 begann er sein Counting bei der Nummer Eins, bevor er 1971 seine malerische und plastische Arbeit wiederaufnahm, wobei er nun seine Werke mit der Zahl signiert, die ihre jeweils aktuelle Position in seinem fortlaufenden Zählprozess markiert.

Thematisches Zentrum von Borofskys Kunst ist seine eigene Identität als Künstler, in der Auseinandersetzung mit seinen jeweiligen psychischen Empfindungen und seinem physischen Handeln. Dieses Selbstverständnis basiert jedoch nicht auf einer distanzierten Haltung zum gesellschaftlichen Kontext, in den er als Künstler integriert ist, sondern sucht im Gegenteil den unmittelbaren Bezug zur unausweichlichen Wirklichkeit seines Lebensraumes.

Die visuelle Darstellung seiner Gedanken, Emotionen, Ängste, Träume, Erlebnisse, etc. ist für Borofsky somit Methode und Therapie, die unterschiedlichen Momente seiner eigenen Befindlichkeit zu verstehen. Die daraus hervorgebrachten Bilder und Strukturen besitzen als subjektive Bestandteile seines Wesens eine archetypische Bedeutung, die durch den induktiven Prozeß künstlerischer Vermittlung die Betrachter animiert, eigene Erfahrungsprozesse in den Erlebnisrahmen der Ausstellung zu projizieren. In diesem Sinne versteht Borofsky seine Werke als Selbstporträts, und zwar nicht beschränkt auf eine figurative Abbildlichkeit, sondern als symbolhafter Ausdruck seines Wesens, das über seine individuelle Gestalt hinaus durch sein Denken und Handeln determiniert ist. Diese Bewußtmachung der eigenen Existenz als Teil eines Handlungsraumes, der sowohl durch die eigene Geschichte als auch den gesellschaftlichen Kontext definiert wird, thematisiert notwendig auch ihre zeitliche Bestimmtheit. Diese von Borofsky kreierten bildlichen Archetypen sind daher nicht Ausdruck eines abgeschlossenen Reflexionsprozesses über eine bestimmte Problematik, sondern beweisen ihre universale Bedeutung in immer neuen thematischen Variationen und Zusammenhängen. In seinem "Thought Book (1967-1970)" faßte Borofsky diese Intentionen seiner Arbeit in zwei programmatischen Äußerungen zusammen: "My thought process is an object"; und: "As an artist, my goal is to present ... illustrations of my thoughts regarding the meaning of time."

Borofskys Installationen konfrontieren häufig mit einer komplexen Anhäufung von Bildern und bildlichen Versatzstücken, die sowohl auf einer visuellen als auch einer konzeptuellen Ebene aufeinander bezogen sind. Diese unterschiedlichen Aspekte der einzelnen Werke werden durch die jeweilige Einbeziehung in einen veränderten Kontext akzentuiert, wodurch deren Individualität somit als Funktion eines übergeordneten Zusammenhangs erscheint.

In der Ausstellung im Portikus wird Borofsky eine Installation präsentieren, die diese inhaltliche Verknüpfung seiner Arbeitskomplexe deutlich macht, und die gesamte Architektur des Gebäudes einbezieht.

Im Zentrum stehen die Heartlights, vier Skulpturen, welche jeweils aus einem roten Leuchtkörper und einem Lautsprecher bestehen, die auf einem Stativ montiert sind. Über dieses audio-visuelle System wird permanent die digitale Aufnahme von Borofskys Herzschlag optisch und akustisch übertragen. Diese Installation wird begleitet vom aktuellen Ausschnitt seines Counting, die Borofsky seit Anfang der 70er Jahre kontinuierlich fortführt. Diese erscheint im Portikus als Zahlenfolge, deren Ziffern in das Raster des Raum-Oberlichts gelegt sind. Für die Außenfassade des Gebäudes hat Borofsky schließlich ein Schriftband entworfen, das in persisch und deutsch den Satz "Alles ist Eins" trägt - ein Idiom, das er ebenfalls seit den 70er Jahren immer wieder als eine Art Slogan in seine Installationen integriert. Darüber hinaus stellt die Ausstellung im Portikus eine Verbindung her, zur riesenhaften Skulptur des Hammering Man, die zeitlich parallel am Messeturm errichtet wird.

Foto: Katrin Schilling