17.11.–16.12.1990

Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Matt Mullican an der Weiterentwicklung eines Systems von Zeichen, die einerseits ein Produkt seiner Imagigation sind, zum anderen jedoch direkt aus der Alltagswelt übernommen sind. Zeichen, wie sie an Flughäfen, Bahnhöfen, im Stadtbild, kurz an allen Orten zu finden sind, an denen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft und Sprache bewegen. Zeichen der Orientierung also, die möglichst eindeutig für Jedermann/frau verständlich, den Weg zum Gepäckband, einem Telefon, zur Toilette, usw. ausweisen.

Mullican hat diese Zeichen systematisiert und in verschiedenen Medien dargestellt, wobei er häufig den Ausstellungsraum verläßt und im sogenannten öffentlichen Raum die verweisende Funktion dieser bildhaften Zeichensprache in Form von Postern oder Fahnen auch formal thematisiert.

Dieses internationale Kommunikationssystem aus Zeichen und Symbolen benutzte Mullican wiederum als Grundlage für die Entwicklung von eigenen Modellen einer Kosmologie, die auf fünf Ebenen die Wahrnehmungs- und Aneignungsmechanismen strukturiert, mit denen der Mensch sich die bzw. seine Welt erschließt.

Zur Veranschaulichung dieser Modelle benutzt Mullican sechs Farben, die den fünf Ebenen zugeordnet sind:

Grün bezeichnet die Ebene der "Elemente". Sie ist die unterste und umfaßt den Bereich der Natur und der materiellen Eigenschaften der Dinge, deren Entstehung und Entwicklung nicht von geistigen Prozessen angeregt und bestimmt wird.

Blau kennzeichnet die "World Unframed", den Bereich unbewußter, automatistischer Handlungen, die ohne Reflexion ablaufen.

Gelb ist die Ebene bewußt gesteuerter Denkprozesse und Handlungsabläufe, mit denen die Welt wahrgenommen, analysiert und systematisiert wird.

Schwarz und Weiß sind die Farben für "Sprache" als ein abstraktes Bezeichnungssystem, durch das die Gegenstände ihre Individualität einbüßen und in ein Bild/Zeichen übersetzt werden.

Rot bezeichnet die fünfte und höchste Ebene des "Subjektiven", der geistigen Akitivtäten, die unsere individuelle Erfahrung im Verhältnis zu den Zeichen bestimmen.

In diesem Sinne hat Mullican auch das Modell einer imaginären Stadt entworfen, als ein Prospekt menschlichen Wissens und persönlicher Erfahrung. In den letzten Jahren entwickelte Mullican eine Reihe von Arbeiten zu diesem Thema, deren detaillierte Pläne jene gefundenen und ausgedachten Zeichen und Symbole in eine gedachte Ordnung fügen. Das Computer-Project gab Mullican die Möglichkeit, seiner Idee eines Modells einer Stadt physische Realität zu verleihen, in der sich der Betrachter auf und zwischen allen fünf Ebenen bewegen kann. Die Installation im Portikus besteht aus 18 vom Computer animierten "Stadt-Ansichten", sowie einer endlos laufenden, fünfminutigen Video-Sequenz, die eine Fahrt durch Mullicans imaginäre Stadt simuliert. Darüber hinaus sind als drittes Produkt und letzter Schritt der Weiterentwicklung dieses Projekts zwei kleine Skulpturen zu sehen, die der als Datensatz im Computer gespeicherten Existenz des Gegenstandes seine physische Realität zurückgeben.

".....Meine Stadt ist nicht die Repräsentation eines sozialen Phänomens. Sie ist abstrakter, es geht nicht um eine bevölkerte Umgebung. Es geht nicht unbedingt um einen zwischenmenschlichen Raum, obwohl sie (die Stadt) eigentlich auf dieser Ebene bestehen muß. Es geht vielmehr um den Raum, zwischen den Menschen und den Dingen. Das mag sehr vereinfacht klingen, aber es geht um den Raum, der zwischen jedem möglichen Objekt und mir besteht, und darum, wie ich dieses Objekt in unterschiedlicher Weise begreifen kann - emotional, als Wort, usw. Ich könnte letztendlich Menschen in die Stadt setzen, aber im Moment ist sie leer, weil es um diese Wahrnehmung der Leere geht." (Interview mit Matt Mullican 1990)

Matt Mullican, 1951 in Santa Monica, Kalifornien, geboren, studierte am Californian Institute of the Arts und lebt seit über zehn Jahren in New York. Im Sommersemester 1990 lehrte er als Gastdozent an der Städelschule und wird im nächsten Jahr auf Einladung von Peter Weibel als Gast-Künstler am Institut für neue Medien in Frankfurt ein neues Projekt realisieren, dessen Konzept er zur Zeit erarbeitet.

Die Ausstellung im Portikus ist eine Co-Produktion mit Le Magasin - Centre national d` art contemporain in Grenoble, dem Kröller Müller - Museum in Otterlo und der Stichting De Appel in Amsterdam, die Mullicans Arbeiten in unterschiedlicher Konstellation zeigen. Während in Grenoble und Otterlo eine umfassende Werk-Übersicht präsentiert wird, konzentrieren sich die Ausstellungen in Frankfurt und Amsterdam auf die Installation von Mullicans Computer-Project.

Fotos: Katrin Schilling