28.04.–04.06.1990

Der 1923 in Newburgh im US-Bundesstaat New York geborene Ellsworth Kelly ist einer der bedeutendsten Vertreter der sogenannten Hard-Edge-Malerei. Der kalifornische Kritiker Jules Langsner führte diesen Begriff zur Bezeichnung einer Bildstruktur, die aus klar abgegrenzten, unmodulierten Farbfeldern aufgebaut ist. Er setzte damit die Hard-Edge-Malerei vom Abstrakten Expressionismus eines Jackson Pollock, Mark Rothko oder Barnett Newman ab, die ebenfalls in den fünfziger Jahren eine Bildanschauung entwickelt haben, die die Aufhebung der traditionellen Trennung von Bildgegenstand und Malgrund vollzog. Ellsworth Kelly verfolgte die gleiche Intentionen, jedoch unter den Bedingungen einer anderen Auffassung von Malerei. Beide Richtungen gelten in ihrer strengen Einfachheit ihrer Bildkonzepte als entscheidende Wegbereiter der Minimal-Art in den sechziger Jahren. Anders als seine amerikanischen Zeitgenossen, die eine radikale Abkoppelung von der europäischen Kunst forderten, fand Ellsworth Kelly seine Bildsprache aus der intensiven Auseinandersetzung mit der Tradition der Moderne.

Kellys frühe Arbeiten aus den Nachkriegsjahren - vorwiegend Figurendarstellungen und Stadtansichten - zeigen deutlich die Beeinflussung durch Picassos synthetischen Kubismus. Auslösend für seine unvermittelte Wendung zu einer vollkommen abstrakten Bildsprache wirken jedoch die Begegnungen mit so unterschiedlichen Werken, wie denen von Henri Matisse und Sophie Taeuber-Arp, Constantin Brancusi und Claude Monet. In der Auseinandersetzung mit diesen Künstlern entwickelt Kelly sein Konzept einer Malerei aus Farbformen, die auf die Aufhebung der Trennung von Figur und Hintergrund angelegt sind.

Auf der Grundlage eines begrenzten Inventars von Formvorstellungen und bildnerischen Mitteln erarbeitet Ellsworth Kelly seitdem - unabhängig von zeitbedingten Trends und Strömungen - ein sehr komplexes Werk, in dem Malerei und Skulptur gleichrangig nebeneinanderstehen, wobei ihre Gattungsgrenzen oftmals aufgehoben werden. Häufig untersucht Kelly seine Bildformeln in Werk-Serien, die den unveränderlichen Kern seiner Anschauung ständig neu befragen und behaupten.

Kellys Bildgestalt orientiert sich an der Form als Ableitung aus geometrischen Strukturen, die er in der sichtbaren Wirklichkeit wahrnimmt. Abstraktion ist für Kelly eine Wahrnehmungsmethode, die eine Form klar und einfach herauszuarbeiten sucht. Diese Wahrnehmungen werden in Zeichnungen festgehalten und oft an Collagen im Hinblick auf das entstehende Bild oder die Skulptur erprobt. Kellys bildnerischer Prozeß ist nicht kompositionell, sondern führt im Sinne eines "Trial and Error"-Verfahrens zur Formfindung. Zur Fixierung und Klärung eines Bildgegenstandes benutzt Kelly auch die Fotografie, weil das fotografische Auge besser als das menschliche dazu geeignet ist, Formen oder Dinge aus ihrem räumlichen Bedeutungszusammenhang zu konzentrieren.

Nach diesem Verständnis will er den Blick schärfen für die ästhetische Dimension einer Form, die durch eine präzisierte Wahrnehmungsweise unter Ausschluß aller äußeren Bedeutungen Allgemeingültigkeit erlangt. Das Bild enthält oder vermittelt demnach keinen Gegenstand, sondern besitzt selbst gegenständliche Qualität. Der absolut neutrale Einsatz der Farbe, ohne jede handschriftliche Textur, verstärkt diesen unillusionistischen Charakter des Bildes als Gegenstand.

Für die Ausstellung hat Ellsworth Kelly eine raumbezogene Installation mit einer auf dem Boden liegenden, gelben Form konzipiert. "Yellow Curve-Portikus" entwirft ein Bild-Objekt mit einer klar konturierten inneren und äußeren Geschlossenheit, das auf eine Wahrnehmungseinheit von Form, Bodenfläche und Raum ausgerichtet ist.

Fotos: Katrin Schilling