19.12.2019–02.02.2020

Eröffnung: 18.12.2019, 19h

Cloudy with a Chance of Coconuts ist eine Installation der philippinischen Film- und Medienkünstler*innen Shireen Seno (*1983) und John Torres (*1975). Neben ihrer eigenen Arbeit sind Seno und Torres Gründer des Kollektivs Los Otros in Manila, einem Labor und einer Plattform für die Produktion und Förderung von filmischen Projekten an der Schnittstelle zwischen Film und Kunst. Seno und Torres stehen auch im Mittelpunkt der kuratorischen Initiative Kalampag Tracking Agency, die sich der Unterstützung und Verbreitung alternativer und experimenteller Praktiken in der philippinischen Filmproduktion widmet. Beide Plattformen zeichnen sich durch Austausch und Offenheit gegenüber anderen Disziplinen und Künstler*innen sowie eine Unabhängigkeit von der populären Filmindustrie aus.

Cloudy with a Chance of Coconuts ist die erste gemeinsame Präsentation der Künstler*innen in Deutschland. Für ihre Ausstellung im Portikus konzipierten Shireen Seno und John Torres ein Filmset, das einerseits autobiografisch ist, aber gleichfalls ein allgemeines Thema im Leben zeitgenössischer Kulturproduzent*innen beleuchtet: Da die beiden ständig auf Reisen sind, bleiben ihre Besitztümer gezwungenermaßen stets zu Hause oder auf der Straße. Was aber passiert mit ihrem in Manila auf der Straße zwischen den Kokosnusspalmen geparkten Toyota Corolla KE25, wenn ein Taifun aufkommt? Diese Situation aufgreifend, wird der Portikus zur Kulisse für die persönliche Narration der Künstler*innen und bietet eine filmische Umgebung, die andere magische und verworrene Geschichten erzählen kann. Gelegentlich wird das Set in ein Kino verwandelt, in dem die im Folgenden beschriebenen Spielfilme gezeigt werden.

Die Filmemacherin Shireen Seno untersucht in ihrer eigenen Arbeit Erinnerung, Geschichte und deren Bilder, oft in Bezug auf die Themen Heimat und Kindheit. In ihrer Vergangenheit hat sie oft mit dem bekannten philippinischen Regisseur Lav Diaz kooperiert.

Big Boy (2012), ihr erster Spielfilm in Lo-fi-Super-8, erzählt die Coming-of-Age-Geschichte von Julio und den vielen Versuchen seiner Familie, ihn so groß wie möglich wachsen zu lassen. In den 1950er-Jahren auf der Insel Mindoro ist Senos Darstellung der Vergangenheit zwar nostalgisch, aber sie enthüllt die oft unter der Oberfläche verborgene Gewalt in Familien, die den Traum von einem besseren Leben verfolgen.

Ihr neuester Spielfilm Nervous Translation (2018) thematisiert eine introvertierte Achtjährige, die mit ihrem Miniaturküchenset Essen kocht, mit ihrer Mutter fernsieht und wie besessen die Kassetten hört, die von ihrem Vater, einem Wanderarbeiter in Saudi-Arabien, aufgenommen wurden. Seno fängt einfühlsam die Unschuld und Unsicherheit eines Kindes ein, das die manchmal unnachgiebige Welt, von der sein Leben beeinflusst wird, noch nicht versteht

Das Projekt A Child Dies, a Child Plays, a Woman is Born, a Woman Dies, a Bird Arrives, a Bird Flies Off (2018) widmet sich der Vogelwanderung auf den Philippinen und befasst sich symbolisch mit der Migration in diversen Formen und Zeiten. Vögel sind so etwas wie ein Vorbild für den Menschen, der auch oft neue Wege finden muss, um in verschiedenen Gebieten zu überleben.

John Torres ist ein Filmregisseur, Produzent und Autor, der für seinen sehr persönlichen und poetischen Stil bekannt ist. Seine Filme zeugen von einer einzigartigen improvisatorischen Arbeitsweise und kombinieren Archivausschnitte, Fundstücke und Bilder. Dadurch entfalten sie Erzählstrukturen mit oft unverwechselbaren autobiografischen Bezügen, die sich konventionellen Bildern und Genres widersetzen. Torres verfolgt zum Beispiel eine „parasitäre“ Filmstrategie, die sich bestehende Filmproduktionen als Ausgangspunkt zunutze macht, oder positioniert sich an der Peripherie von Filmproduktionen und sammelt deren „Überschüsse“: Streulicht, Ton, Requisiten, Möbel, Bühnenbild und all das, was außerhalb des Hauptsets liegt.

Lukas the Strange (2013) ist die Geschichte eines unbeholfenen Teenagers, der sich mit seiner beginnenden Männlichkeit auseinandersetzt, während gleichzeitig ein Film in seiner Nachbarschaft gedreht wird. Nachdem Lukas erfährt, dass sein Vater ein Tikbalang (halb Pferd, halb Mensch) gewesen sein soll, beginnt er im Laufe des Films dieser Idee nachzugehen.

In seinem Dokumentarfilm People Power Bombshell: The Diary of Vietnam Rose (2016) benutzte Torres 20 Rollen Film, die er einem nie fertiggestellten Spielfilm des „Retters des philippinischen Kinos“, Celso Advento Castillo (1943–2012), entnommen hat. Gemischt mit found footage und einem neuen overdub wurde dies zu einem Making-of-Film mit einer mysteriösen Wendung. Eine Hommage auf den Meister, aber auch auf die Energie der filmischen Vorstellungskraft.


FILMPROGRAMM
Mittwoch, 08.01.2020:
Big Boy von Shireen Seno
Mittwoch, 15.01.2020:
Lukas the Strange von John Torres
Mittwoch, 22.01.2020:
Nervous Translation von Shireen Seno
Mittwoch, 29.01.2020:
​People Power Bombshell von John Torres

*Beginn um 18.30h
Mehr Informationen zum Kurzfilmprogramm folgen in Kürze.


Die Ausstellung wird unterstützt durch die Adolf und Louisa Haeuser Stiftung für Kunst-und Kulturpflege und die Stiftung Städelschule für junge Künstler.

Kuratiert von Christina Lehnert

Fotos: Wolfgang Guenzel