30.06.–02.09.2018

 

Vortrag 26.06.2018, 19h

"Now I know I've got a heart, cause it's breaking..."

Aula Städelschule 

Portikus freut sich, Bengawan Solo zu präsentieren, die erste institutionelle Einzelausstellung des thailändischen Künstlers Arin Rungjang in Deutschland.

Rungjang (*1975, Bangkok) ist bekannt dafür in seinen Arbeiten historisches Material aufzugreifen, indem er Haupt- und Nebenerzählungen über mehrere Zeiträume, Orte und Sprachen hinweg miteinander verbindet. Sein Interesse gilt weniger bekannten Aspekten der Geschichte Thailands und Südostasiens, sowie ihren Überschneidungen mit der Gegenwart, sowohl an den historischen Schauplätzen als auch innerhalb der Kontexte seiner künstlerischen Praxis.

Kulturelle Artefakte, die weit entfernte Ereignisse über Zeit und Raum hinweg zusammenführen, bilden das Zentrum seiner Nachforschungen. Seine Arbeitsweise zeichnet sich durch den Einsatz verschiedenster Medien und häufig durch Video- und ortsspezifische Installationen aus. Bei der Erforschung von Geschichte und alltäglichen Erfahrungen seziert und analysiert er Material und sucht Metanarrative durch das Objektiv kleiner Ereignisse wieder auf.

Im Portikus wird Arin Rungjang die Siebenkanal-Videoinstallation Bengawan Solo zeigen, die er 2017 für die Jakarta Biennale produziert hat. Das gleichnamige Lied, dessen Titel sich wiederum auf den längsten Fluss der Insel Java bezieht, ist eines der bekanntesten indonesischen Volkslieder. In Rungjangs Arbeit stehen die persönlichen Erzählungen des Künstlers, die Geschichten der Sänger*innen und die komplexe Geschichte von „Bengawan Solo“ nebeneinander. Die romantische Idee, die sich im Liedtext wiederfindet, wird der dunklen Geschichte des Flusses während des Massakers in Indonesien von 1965 bis 1967 gegenübergestellt.

Rungjang begegnete dem Lied „Bengawan Solo“ erstmals in dem Film In the Mood for Love (2000) von Wong Kar Wai, in dem es von der Sängerin Rebecca Pan gesungen wird. Ursprünglich wurde es 1940 von dem 23-jährigen Gesang Martohartono geschrieben. Für Rungjang steht „Bengawan Solo“ für Romantik und Melancholie, da es mit quälenden sinnlichen Gefühlen einherging, die er in seiner Kindheit für einen Klassenkameraden hegte – trotz seiner Verehrung für seinen damaligen Liebhaber. Der Künstler beschreibt es als so mächtig, dass es sowohl seinen Körper als auch seine Seele zerstörte.

Als Rungjang später der Entstehung von „Bengawan Solo“ nachging, fand er heraus, dass das Lied von einem Fluss namens Bengawan handelt, der durch die Stadt Solo fließt. Komponiert im Stil des Keroncong, einem von der portugiesischen Kultur des 15. Jahrhunderts beeinflussten Genre, schildert das Lied die Schönheit von Bengawan Solo. Von diesem Augenblick an begann sich die Bedeutung von „Bengawan Solo“ für den Künstler zu ändern.

Später stieß er auf die Geschichte von Anneke Grönloh, einer Sängerin mit Tondano- und niederländischen Wurzeln, die ihre Kindheit in einem japanischen Konzentrationslager in Niederländisch-Ostindien verbracht hatte. Grönloh zog in die Niederlande, wo sie ihre Kindheitserinnerungen in einer 1967 veröffentlichten Interpretation von „Bengawan Solo“ verarbeitete. Während ihrer Kindheit war „Bengawan Solo“ ein unter japanischen Soldaten sehr beliebtes Lied. Grönlohs Geschichte erinnerte Rungjang an Koo Bun Koo Gum, eine bekannte Liebesgeschichte in Thailand über ein thailändisches Mädchen und einen japanischen Soldaten. Die Geschichte ist repräsentativ für einen bestimmten Stil thailändischer Liebesgeschichten, die ohne eindeutige Auflösung enden. Koo Bun Koo Gum endet implizit damit, dass der Soldat nach einem amerikanischen Bombenangriff während des Zweiten Weltkriegs im Schoß des Mädchens im Sterben liegt.

Während der Ermordung von Kommunist*innen und chinesischstämmigen Bürger*innen in Indonesien zwischen 1965 und 1966 wurden zahlreiche Leichen in den Bengawan Solo geworfen. Als Rungjang den Fluss im Zuge der Vorbereitungen für die Biennale von Jakarta besuchte, erschütterte die wahre Geschichte des Massakers die romantischen Anklänge in seiner Interpretation des Liedes.

In der Siebenkanal-Videoarbeit lädt Rungjang Rachel Saraswati dazu ein, mit ihrer Keroncong-Gruppe „Bengawan Solo“ zu singen. Zu der Darstellung der Sängerin und der Musiker*innen, die einzeln auf den Bildschirmen erscheinen, sind Texte synchron geschaltet, die Rungjangs persönliche Erfahrungen nacherzählen.

Rungjangs Arbeit suggeriert, dass sich die Bedeutung der Dinge drastisch ändern kann, je nach den Windungen und Wendungen des Lebens und den Geschichten, die sich in unerwarteten Situationen offenbaren.

Arin Rungjangs Arbeit wurde an folgenden Orten gezeigt: documenta 14, Athen/Kassel (2017); CAPC–Musée d'Art Contemporain, Bordeaux (2015); Satellite 8, Jeu de Paume, Paris (2015). Er war Finalist für den APB Foundation Signature Art Prize (2014), repräsentierte Thailand auf der 55. Venedig Biennale (2013) und nahm an der 18. Sydney Biennale (2012), am Bandung City Pavilion auf der Shanghai Biennale (2012) und der dritten Singapur Biennale auf dem Old Kallang Airport (2011) teil.

Arin Rungjang lebt in Berlin als Gast des DAAD Berliner Künstlerprogramms.

Portikus dankt Melati Suryodarmo.
Die Ausstellung wurde unterstützt von der Shangart Gallery.

Fotos: Helena Schlichting