09.12.2017–28.01.2018

Eröffnung: 08.12.2017, 19 Uhr

Der Portikus freut sich, die Ausstellung Hell Notes der kanadischen Künstlerin Moyra Davey anzukündigen - ihre erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland. Davey arbeitet als Fotografin und Autorin und schuf über die letzten Jahre ein Werk, das beide Aspekte miteinander verbindet. Auch muss man sie als Leserin verstehen, die als intellektuelle Künstlerfigur, ähnlich einem wissenschaftlichen Gelehrten, Texte erforscht, hinterfragt und in ihre Arbeiten einfließen lässt. In diesem Sinne setzt sie das Fotografieren ihrer Umgebung mit dem Aufschreiben von Notizen beim Lesen gleich. Seit den späten 1980er Jahren schuf Davey eine Reihe von fotografischen Serien, die sich mit alltäglichen Motiven ihres Umfelds beschäftigen. Dazu gehören serielle Aufnahmen von Zeitungskiosken in New York City, leere Whiskeyflaschen, Szenen aus Cafés oder Bibliotheken, Aufnahmen von Menschen in der U-Bahn bis hin zu immer reduzierteren Bildern aus ihrem Apartment.

Während Davey auf der gerade beendeten documenta14 in Athen und Kassel neue Arbeiten im Bereich von Fotografie und Film präsentierte, zeigt die Ausstellung im Portikus eine ältere Arbeit: den der Ausstellung den Titel gebenden Film Hell Notes (1990). Ergänzt wird der Film, der bis dato nur einmal 1991 bei einer Vorführung bei der Collective for Living Cinema in New York gezeigt wurde, von der fotografischen Serie Copperheads (1990-aktuell).

Die Copperheads bestehen aus fotografischen Reproduktionen von Abraham Lincolns (1809-1865) Profil auf der amerikanischen 1 Penny Münze. Dabei handelt es sich um Makroaufnahmen, also um stark vergrößerte Ansichten des ehemaligen amerikanischen Präsidenten auf der im Wert kleinsten Geldmünze der USA. Entstanden ist diese fortlaufende Arbeit in einer Zeit der politischen Umbrüche, bestimmt durch die amerikanische Finanzkrise der 1980er Jahre, sowie dem Fall der Berliner Mauer und dem damit einhergehenden medial zelebrierten Ende des Kommunismus. Geprägt als Münze ist das Gesicht von Abraham Lincoln als Symbol der Freiheit ein Kommentar zu den Entwicklungen, die den Freiheitsgedanken nach Ende des Kalten Krieges betreffen.

Auch wenn Copperheads in den 1990er Jahren begann, ist die aus mehreren hundert Abbildungen bestehende Arbeit heute aktueller denn je. Die schiere Quantität der Fotografien unterschiedlicher 1 Penny Münzen unterstreicht ihre eigentliche Verwendung als Zahlungsmittel, weitergereicht von Hand zu Hand und übersät mit unzähligen Gebrauchsspuren. Ihre Oberflächen variieren - teils eingekerbt, vernarbt, angelaufen oder verrostet, erinnern sie vielmehr an Luftaufnahmen von verlassenen, unbekannten Terrains. Als Auseinandersetzung und gleichzeitig fasziniert von der Psychologie des Geldes schrieb Davey im Jahr 2010:

When I began collecting pennies for the Copperhead series, I’d just moved to NY, had no money and was thinking a lot about the psychology of money: Freudian ideas that equate money with excrement; the Potlatch custom of shaming a rival with extravagant gifts; profiles of 19th century misers; and one famous counterfeiter.

Die Copperheads sind eine direkte Manifestation aus der Arbeit an dem Film Hell Notes (1990), einem 26-minütiger Super-8 Film. Im Prinzip entwickelt Davey innerhalb des Films Theorien zum Wesen des Geldes. Wir sehen Bilder aus einem New York der späten 1980er Jahre, erhalten Kenntnis über die Wolkenkratzer, die die Wall Street prägen und hören Hintergründe über sog. anstehendes Gestein (Bedrock) im Central Park und zum Bau der Saint John the Devine Kathedrale. Im Zentrum des Films steht Moyra Davey selbst, die auf einer Parkbank sitzend über Geld und Fäkalien, den Teufel und die Hölle spricht. Irgendwie humorvoll und doch seriös schlägt sie dabei einen großen Bogen von der Reformation, den Ablässen hin zur Verbindung von Geld und Glauben.

Die Ausstellung und der Film Hell Notes im Portikus ist eine psychoanalytische Auseinandersetzung mit Währung und Wert, Materialität und Funktion. Die hier präsentierten älteren Arbeiten möchten einen Einstieg in das heute angewachsene und komplexe Werk Moyra Daveys liefern. In Zeiten einer zunehmenden Beschleunigung der Kunstproduktion und Vermittlung ermöglicht die Ausstellung einen konzentrierten Fokus auf ein spezifisches Werk, das trotz seines Jahrzehnte zurückliegenden Entstehungsjahres heute noch relevant ist. 


Die Ausstellung wird unterstützt durch die Botschaft von Kanada in Deutschland.

Die Ausstellung Hell Notes von Moyra Davey entsteht in Zusammenarbeit mit dem Bielefelder Kunstverein, wo die Arbeit im Frühjahr 2018 zu sehen sein wird.

Fotos: Helena Schlichting