19.09.–15.11.2015

Eröffnung: 18.09.2015, 20h

Der Portikus freut sich, die erste Einzelausstellung von Ade Darmawan (*1974) in Deutschland zu präsentieren. In der Tradition des Portikus reagiert er wie in den Jahren zuvor auf das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse: Indonesien. Darmawan, der in Jakarta lebt und arbeitet, ist Künstler, Kurator und Direktor der Jakarta Biennale, die im November diesen Jahres eröffnet. Als Gründungsmitglied des Künstlerkollektivs ruangrupa prägt er die noch junge Kunstszene Jakartas mit einer Institution, die ebenso Organisator wie Veranstaltungsort, Ausstellungsraum, Radiostation und Verlagshaus ist.

In seiner künstlerischen Arbeit beschäftigt sich Darmawan mit seinem Land, dessen Geschichte und vor allem seinen Menschen. Im Zentrum seiner Auseinandersetzung stehen oft kleine Geschichten, sog. „minor histories“; Ereignisse, die keine historische Relevanz haben, jedoch letztendlich die Vergangenheit prägen. Auch im Portikus geht es um diese feinen Tendenzen, die erst am Rand auftreten und nur langsam die breite Masse beeinflussen.

Im Mittelpunkt der Ausstellung Magic Centre steht das gleichnamige indonesische Verlagshaus, das vor allem in den 1960er Jahren tätig war. Gleichzeitig bezieht sich der Künstler auf die gesellschaftlichen wie politischen Veränderungen in seinem Land in den aktiven Jahren von Magic Centre.

Von 1945 und über einige Jahrzehnte hinweg war Indonesien von politischer Instabilität und Spannungen zwischen kommunistischen und islamistischen Kräften sowie nationalistischer Propaganda geprägt. Unter Führung des Präsidenten Sukarno, der von 1945 bis 1967 im Amt war, suchte das Land die Nähe zum Kommunismus. Allerdings orientierte es sich nicht an der Sowjetunion oder China, sondern an Staaten der südlichen Hemisphäre. Mit der Gründung der Bewegung der Blockfreien Staaten 1955 im indonesischen Bandung unterstützte Sukarno die Initiative des indischen Ministerpräsidenten Nehru und des jugoslawischen Präsidenten Tito. Diese Staaten, die weder dem östlichen noch westlichen Staatensystem angehören wollten, dienten Sukarno als Alternative und Modell für seine kommunistische nationalistische Ausrichtung. Diese änderte sich mit dem Putschversuch 1965 durch das Militär. General Suharto nutzte ihn als Anlass, um die Kommunistische Partei Indonesiens zu vernichten, und befahl ein Massaker an der Zivilbevölkerung. Auch wenn das Militär nur teilweise an der Ermordung hunderttausender Zivilisten beteiligt war, unterstützte und trainierte es die vielen paramilitärischen Gruppen im Land. Mit der Machtübernahme von Suharto, der den Präsidenten unter Hausarrest stellte, änderte sich auch die politische Landschaft des Landes. Nicht weniger nationalistisch als Sukarno, förderte Suharto vielmehr das Konzept des Kapitalismus.

An diesem Punkt setzt Ade Darmawan mit Magic Centre an. Bekannt wurde der Verlag durch Publikationen, die zur Verbesserung der eigenen intellektuellen Fähigkeiten dienen sollten. Selbstoptimierung, die Beeinflussung Anderer, Charakterbildung, die Kunst des Geschäftemachens sowie ein erfolgreiches Leben waren Themen der Druckerzeugnisse, die später vor allem aus Übersetzungen amerikanischer Originale bestanden. Die Bücher sollten „Antworten“ liefern, wenn es darum ging, ein erfülltes Leben zu führen und erfolgreich den modernen Kapitalismus zu meistern. Sie spiegeln dabei die Produktion und Verteilung von Wissen wider und heben die ideologische Problematik hervor, die für diese Zeit der Umbrüche und ihre Gesellschaft typisch war. War Magic Centre dabei ein Verlagshaus im Untergrund oder doch ein angesehener Verteiler von Druckerzeugnissen?

Mit dem wachsenden Einfluss des Kapitalismus verändert sich der Markt und somit Angebot und Nachfrage. Mit anderen Publikationen, die die aktive Wirtschaft Indonesiens anpriesen und das Land als aufstrebende Wirtschaftsnation darstellten, versuchten Staat und Industrie gezielt Investoren sowie ausländische Firmen zu gewinnen, die in die junge Republik investieren sollten. So eröffnete 1967 der erste Freihafen Freeport McMoRan in Papua, der den Handel ankurbelte, und Autohersteller wie Toyota verlagerten Teile ihrer Produktion nach Indonesien. Gleichzeitig wurden mehr und mehr Produkte westlicher Industriestaaten importiert: Pokale und Trophäen, Geweihe, Golfschläger, Keramikfiguren und Kronleuchter. Diese Objekte können als Fetisch jener Indonesier gelesen werden, die sich mit westlichen Produkten weltoffen und erfolgreich darzustellen versuchten. Hielt man etwas auf sich, dekorierte man sein Haus mit diesen Statussymbolen.

Die Vitrinen selbst sind dabei nicht nur Display in der Ausstellung, sondern ebenso ein Symbol des industriellen Wandels des Landes. Was heute in Form von Hunderten von Shopping Malls Indonesiens Alltag beschreibt, kann in der Vitrine als frühe Form der Warenpräsentation gesehen werden. Sie sind der Einstieg der Einzelperson in den Konsum.

Arrangiert um den zentralen Kronenleuchter, hängen an den Wänden großformatige Banner, die die Cover von verschiedenen Magic-Centre-Publikationen darstellen. Reduziert auf Form und Farbe und befreit von jeglicher Schrift, werden sie zu Flaggen einer imaginären Nation. Und vielleicht ist genau hier das Verlagshaus anzusiedeln: als eine Organisation, die sich der Bildung verschrieben hatte und den Kapitalismus in Indonesien und damit indirekt Suhartos Politik unterstützte. Ade Darmawans Ausstellung im Portikus wird zu einer kritischen, aber auch humorvollen Materialcollage. Mittels fetischisierter Gegenstände und Produkte, begleitet von Publikationen Magic Centres und anderen Wirtschaftsbüchern erschafft Darmawan eine visuelle Übersicht Indonesiens im Wandel.

 

Die Ausstellung findet im Rahmen des Indonesia LAB statt, eine Produktion der sechs Partner des Frankfurt LAB: Ensemble Modern, Künstlerhaus Mousonturm, Staatliche Hochschule für Bildende Künste – Städelschule und Portikus, Hessische Theaterakademie, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main und Dresden Frankfurt Dance Company. In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Indonesien lenkt Indonesia LAB den Blick auf eine der dynamischsten zeitgenössischen Kunstszenen Südostasiens. Mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes und der KfW Stiftung initiieren die renommierten Kulturinstitutionen künstlerischen Laboratorien in den Bereichen Musik, Tanz, Performance und bildende Kunst.

 

Im Rahmen von Indonesia LAB gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes