15.02.–20.04.2014

Filmpremiere Adult Entertainment (Paul McCarthy und Damon McCarthy, 2013): 13. Februar, 21.15 Uhr, Kino Orfeo’s Erben

Performance: 16. Februar, ab 14 Uhr, Städelschule

Der Portikus präsentiert ein aufsehenerregendes Ausstellungsprojekt von Mike Bouchet und Paul McCarthy. Die beiden Künstler stehen seit längerer Zeit in einem engen Dialog, der in Frankfurt nun konkret Gestalt annimmt. Vor einigen Jahren haben beide unabhängig voneinander ­eine Arbeit gemacht, bei der sie das Guggenheim New York in eine Toilette verwandelt haben. Aus diesem Zufall entwickelte sich ein dauerhafter Gedankenaustausch über gemeinsame Interessen an der Politik von Kunstinstitutionen und deren Architektur. Dies führte zu einem ortsspezifischen Projekt für den Portikus, in dem ihre Überlegungen in einer vielschichtigen Ausstellungsstruktur Ausdruck finden. Sie beschränkt sich nicht nur auf den eigentlichen Ausstellungsraum, sondern dehnt sich auch auf das Büro, das riesige Dachgeschoss, die Außenseite des Gebäudes, die Maininsel, auf der sich der Portikus befindet, sowie verschiedene externe Orte im Frankfurter Stadtraum aus. Kulminieren wird das Projekt in Form einer umfassenden Publikation, die den Entstehungsprozess und das Endresultat von Powered A-Hole Spanish Donkey Sport Dick Drink Donkey Dong Dongs Sunscreen Model dokumentieren wird.

Den üblichen Zugang zum Ausstellungraum verwehren Bouchet und McCarthy den Besuchern, indem sie ihn mittels einer Wendeltreppe auf die Insel und an den Hintereingang des Gebäudes verlegt haben. Das wirft nicht nur grundsätzliche Fragen darüber auf, wie es um die Zugänglichkeit von Kunstinstitutionen bestellt ist, sondern verweist durch die spezifische Architektur vom Portikus auch darauf, inwieweit sich die heutige Kulturindustrie als unerreichbare Festung geriert. Diese Geste, den Besucherstrom umzuleiten, verwandelt einen ganz normalen Ausstellungsbesuch in einen performativen Vorgang – in die Erstürmung einer mittelalterlichen Bastion. Solche Analogien zum Krieg, zu militärischen Verteidigungsanlagen und Streitkräften finden sich innerhalb der Ausstellung immer wieder und verdeutlichen zudem die dominante Stellung, die die USA seit dem Zweiten Weltkrieg in der Kunstwelt einnehmen: Ölbilder, in denen das Guggenheim Bilbao wie ein militärisches Schlachtschiff aussieht, sind über verschiedene öffentliche Orte in der Stadt verteilt; der Superheld Captain America und sein Erzfeind Red Skull, der in dem amerikanischen Comic der 1940er Jahre als italienischer Faschist charakterisiert wird, treten live als Performer in der Ausstellung auf; heißer Teer in Form eines Gummi-Energy-Drinks wird aus den Schießschartenfenstern des Portikus gegossen, und der Eingang, der an eine Zugbrücke erinnert, wird mit Sandsäcken und Stacheldraht verbarrikadiert. Während ihrer Recherchen für die Ausstellung stießen Bouchet und McCarthy auf ein ausgesprochen grausames Folterwerkzeug, einen „Spanischen Bock“, mit dem im Mittelalter Menschen zweigeteilt wurden – und zwar bei lebendigem Leib. In modifizierter Form spielt es sowohl in der Ausstellung als auch in dem von den Künstlern gestalteten Ausstellungsplakat eine zentrale Rolle.

Im Hauptraum ist das Herzstück der Ausstellung zu sehen – eine Skulptur des Guggenheim Bilbao, das von dem weltberühmten Architekten Frank Gehry entworfen wurde. Als überdimensionales Architekturmodell erinnert diese Version des Bilbao-Baus an ein völlig ramponiertes, zerborstenes Kriegsschiff, das nach einer verlorenen Schlacht ans Ufer der Maininsel geschwemmt wurde. Aus der Skulptur erhebt sich ein langes Rohr, das die Decke zur oben gelegenen Etage durchdringt. Hier werden Hunderte von Litern flüssiges Gummi direkt in den Innenraum des Museums entsorgt. In diesem Teil der Ausstellung findet auch die Produktion des A-Hole Sport Drink statt – ein Getränk, das nach Rindfleisch und Banane schmeckt und durch aggressives Product Placement als Pseudo-Ausstellungssponsor auftritt. Es dient als Grundlage für The Bigga Picka Uppa, ein leistungssteigerndes Gebräu aus einem Liter A-Hole und einem Snickers-Schokoriegel. Auch im Weiteren setzen die Künstler auf den „Bilbao-Effekt“ und zeigen über 60 Bilder, eine riesige aufblasbare Luftskulptur einer Bilboa-Sonnencreme aus Italien, Hollywood-Schauspieler, Stararchitekten sowie Porträts von sich selbst.

Erstmals seit der Fertigstellung des neuen Portikus-Gebäudes 2006 erhalten Besucher nun auch Zugang zu dem riesigen Dachgeschoss, mit dessen Bauweise der Architekt Christoph Mäckler ein Künstleratelier zitiert. Bouchet und McCarthy haben den Raum in etwas umgestaltet, das man üblicherweise als „Live/work Künstler-Loft“ bezeichnet. Es dient als Kulisse für eine Performance, die von den beiden Künstlern in Zusammenarbeit mit Damon McCarthy entwickelt, produziert und gefilmt wurde. Hierfür ist in dem Loft eine für die Kunstwelt typische Dinnerparty veranstaltet worden, auf der persönlich erlebte und erfundene Anekdoten inszeniert werden. Manche sind ebenso grausam wie die Folterwerkzeuge früherer Zeiten oder die strategische Kriegsführung der Gegenwart, auf die Teile der Ausstellung Bezug nehmen.

Das Projekt für den Portikus verdeutlicht, wie die beiden Künstler mit den Mitteln der Maßlosigkeit, der Übertreibung, Falsch-Aneignung und Dysfunktionalität arbeiten. Durch die Synthese, die sich aus ihren gemeinsamen Überzeugungen, Interessen und ästhetischen Vorstellungen ergibt, erfolgen Konzeption und Umsetzung ihrer Ideen auf eine spielerische und höchst produktive Weise. Powered A-Hole Spanish Donkey Sport Dick Drink Donkey Dong Dongs Sunscreen Model lässt sich zudem als eine Hommage an den verstorbenen Jason Rhoades verstehen, mit dem McCarthy und Bouchet beide eng befreundet waren. Rhoades Costner Complex (Perfect Process) zählt zu einer der legendärsten Ausstellungen in der Geschichte des Portikus.

Diese gemeinsame „Tour de Force“ verwandelt den Portikus in ein wild wucherndes Gesamtkunstwerk. Durch eine Sprache, die alle Maßstäbe sprengt und sich aus dem Ausstellungsraum hinaus auf verschiedene Orte der Stadt ausdehnt, haben Mike Bouchet und Paul McCarthy eine Ausstellung geschaffen, die auf die vielschichtigen Exzesse zeitgenössischer Kunstproduktion und Kommodifizierung verweist.

Die Ausstellung wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Deutsche Bank Stiftung.