03.11.2012–01.02.2013

Sachsenhäuser Mainufer gegenüber dem Portikus.

Ein Projekt im Rahmen der EUROPA-KULTURTAGE DER EZB – Frankreich 2012

Seit sechs Jahren gibt es den Portikus auf der Maininsel, die gleichzeitig ein Vogelschutzgebiet beherbergt. Viele Künstler haben sich mit der Besonderheit dieser im Stadtgefüge Frankfurts isolierten Insel beschäftigt, aber jetzt wurde ein spezifisches Werk für diesen ungewöhnlichen Außenraum in Auftrag gegeben. Die französisch-marokkanische Künstlerin Latifa Echakhch hat eine Installation für die Insel entwickelt, die zwar für Besucher nicht zugänglich, aber vom Mainufer aus sichtbar ist.

Die Jahreszeiten und das jahreszeitlich bedingte Verhalten wildlebender Tiere in der Stadt lassen sich auf der Portikus-Insel besonders gut erleben. Im Frühjahr und Sommer verdeckt das Laub der Bäume die städtische Landschaft und lässt einen tropisch anmutenden Wald entstehen, in dem verschiedene Vogel- und Tierarten zu Hause sind. Im Herbst und Winter ergibt das melodramatische Schwarz-Weiß der Bäume und Äste ein ganz anderes Bild. Dann bevölkern auch die Zugvögel die Insel, die auf ihrem Transit von Nordeuropa in wärmere südliche Länder in den Bäumen Station machen. Die einzigen Vögel, die täglich wiederkehren, sind die Krähen. Sie kreisen kurz vor Sonnenuntergang in Schwärmen um die Insel und das hohe Dach des Portikus, bevor sie sich in den obersten Ästen der Bäume niederlassen.

Ausgehend von Überlegungen über die Abwesenheit, die der Migration inhärent ist, entwickelte Latifa Echakhch, die selbst das Erbe zweier Kulturen in sich vereint, eine bildnerische Arbeit, die die Insel in den Wintermonaten ein wenig belebt. Die Künstlerin fühlte sich bei einem Besuch vor Ort sofort zu der Jahreszeit hingezogen, in der die Insellandschaft kahl und leblos ist und als Zuflucht fungiert. Mit Hilfe des renommierten Forschungsinstituts Senckenberg wurde das Biotop der Insel bestimmt. Auf der Grundlage der Ergebnisse entstand ein Projekt, das um den Transitcharakter der Insel und die Fluktuation der Zugvögel kreist: Echakhch baute eine Reihe von Drachen in Form von Vögeln, die in den Bäumen befestigt werden. Das Material – Müllbeutel aus Plastik – verweist auf das Paradox eines Naturschutzgebiets in der Großstadt.

Die Drachen, die Aspekte von Einsamkeit und Ablehnung thematisieren, lassen sich durch ihre vogelartige Form als Einladung, durch ihre Größe und ihr Material dagegen als Warnung an die ankommenden Vögel verstehen. Der Titel, entliehen von Hitchcocks bahnbrechendem Film Die Vögel, verweist auf die potentielle Gefahr und Grausamkeit der Isolation genauso wie auf die ästhetische Stilisierung von Gewalt. Zwar scheinen die Drachen von ihren – verschwundenen oder verjagten – Besitzern auf der Insel wegen einer unbekannten Gefahr zurückgelassen worden zu sein, eröffnen aber gleichzeitig erzählerische Möglichkeiten, die der düsteren Inselszenerie einen Anflug von Unschuld verleihen, wie ihn zum Beispiel spielende Kinder besitzen.

Die Installation geht mit dem Frühjahr zu Ende, das heißt mit dem Beginn der Brutsaison und des neuen Lebens auf der Insel. Bis dahin ist das Werk vom Sachsenhäuser Mainufer aus zu sehen und setzt damit die Tradition des Portikus fort, zeitgenössische Kunst in den städtischen Raum einzubringen.

Wissenschaftlich begleitet durch das Forschungsinstitut Senckenberg.

Fotos: Helena Schlichting