29.09.–02.12.2012

“Objects have physically disappeared. Only their images and their memory remain.”
– José de Jesús Martínez, Teoria del Vuelo, Panamá, 1979.

Der Künstler Michael Stevenson nimmt Korrekturen an Erzählungen vor, rekonstruiert Objekte und stellt Bilder her, die sich allegorisch verschlüsselt auf seine langwährende Faszination für Inselstaaten beziehen. Für den Portikus, dessen Standort auf der Frankfurter Maininsel ein Vogelschutzgebiet beherbergt, nutzt Stevenson seinen visuellen Scharfsinn, seine ortsspezifische Herangehensweise und seine Neigung für absurd ambitionierte Projekte, um eine außergewöhnliche Seherfahrung zu schaffen. Er wird das gesamte Gebäude in eine Camera Obscura verwandeln, um ein ‚schwebendes’ Bild herzustellen.

Die wichtigste Inspiration für die Ausstellung im Portikus ist der panamaische Mathematiker, marxistische Philosoph, Dichter und Dramatiker José de Jesús Martínez (auch Chuchú genannt), daneben auch persönlicher Leibwächter und Berater des panamaischen Staatschefs Omar Torrijos Herrera (1968 - 1981). Chuchú war auch begeisterter Pilot und flog eine Reihe von Leichtflugzeugen, ein jedes benannt nach einer Aleph-Zahl, jene Zahlenreihe, die in der Mengenlehre zur Darstellung der Unendlichkeit dient.

Im markanten Dachgeschoß des Portikus strandet ein Flugzeug, sichtbar vom Mainufer. Im Einklang mit Stevensons Interesse an der Herstellung von narrativen Objekten – in vielen Fällen handelt es sich um Repliken, Faksimiles oder Rekonstruktionen – wird dieser Flugkörper durch die hochempfindlichen und präzisen Effekte optischer Linsen und Spiegel in ein Bild verwandelt. Bei Tageslicht wird ein fotografisches Bild des eingeschlossenen Flugzeugs durch das gesamte Gebäude transportiert, um schließlich im Hauptausstellungsraum scheinbar magisch sichtbar zu werden.

Neben dieser ‚Live-Fotografie’ hat Stevenson einen Nachdruck von Chuchús Teoria del vuelo (Theorie des Fliegens) einschließlich einer Übersetzung angefertigt. Die Neuveröffentlichung dieses Textes spiegelt Chuchús und Stevensons gemeinsame Faszination für das Fliegen wieder – die mühelose Überquerung geografischer Grenzen und deren philosophische Implikationen. Der Text ist auf dem dünnstmöglichen Papier gedruckt, das eine Druckpresse verarbeiten kann, und liegt zum Mitnehmen aus.

Dabei nutzt Stevenson die Wechselbeziehungen zwischen dem Geographischen und dem Politischen, um Objekte zu schaffen, die historische Narrationen in abstrakte Spekulationen verwandeln. Ausgehend von einer Narration über das Fliegen schafft Stevenson eine Situation, die das Phänomen des Lichts als eine von ihrer Quelle räumlich entfernte Live-Fotografie zeigt und damit eine Auseinandersetzung über die Unendlichkeit ermöglicht.

Die Ausstellung im Portikus wird ermöglicht durch die Deutsche Bank Stiftung.

Fotos: Helena Schlichting