02.07.–16.09.2012

Performances: 2. Juni, 16 Uhr und 13. Juli, 19 Uhr

Nora Schultz setzt sich in ihrer Arbeit mit der Frage der Bildwerdung und der Produktion als künstlerische Dynamik auseinander. Mehr als das abgeschlossene Werk interessiert sie das Entstehen von Bildern und Objekten und seine physischen Spuren. Der Herstellungsprozess nimmt daher in ihren Drucken, Druckmaschinen, Installationen und Performances eine zentrale Rolle ein und bleibt als Vorgang immer erkennbar.

Mit Nora Schultz findet nun erstmals eine Einzelausstellung in beiden Stockwerken des temporär zweigeschossigen Portikus statt. Die Auseinandersetzung mit den zwei Stockwerken, die räumlich, atmosphärisch sowie akustisch nicht gegensätzlicher sein könnten, hat Nora Schultz – nach ihrer Teilnahme an der GruppenausstellungFlaca im letzten Jahr – in dieser Ausstellung weitergeführt und vertieft. Schon der Titel der Ausstellung, Portikus Printing Plant and Portikus Sounds, weist mit seiner Doppelung auf eine räumliche und akustische Überlagerung hin, die mit der Zweiteilung des Ausstellungsraums einhergeht. Diese räumliche Dualität nutzt die Künstlerin, um vor Ort parallele Produktionszyklen zu entwickeln, die sich aus skulpturalen Soundarbeiten und Druckinstallationen zusammensetzen und sich während der Ausstellung immer wieder erneut verzahnen.

Im unteren Ausstellungsraum ist eine „Mikrofonskulptur“ von der Decke abgehängt. Mikrofon, Diktiergerät und Lautsprecher sind in einem Balanceakt an einer Stange befestigt, die sich wie ein langer Zeiger 360° durch den Raum dreht. Ähnlich einem Zähler erforscht, misst und zeichnet dieser Stab die akustische Aktivität im Raum auf und gibt sie als simultane, mehrdimensionale Raumerfassung wieder. Gleichzeitig sind vertraute Geräusche zu hören. Nora Schultz hat im Vorfeld der Ausstellung diverse „Field Recordings“ gemacht, die parallel zu den Live-Aufzeichnungen abgespielt werden. Sie hat Klänge aus dem Frankfurter Stadtraum, von der Maininsel und der Umgebung des Portikus, aber auch Tonfragemente aus Film, Fernsehen und Radio aufgenommen. Die Künstlerin stellt somit unterschiedliche Realitäten subtil gegenüber und zeigt einen zweipoligen Blick aus dem Portikus: auf die sommerlich-dschungelartige Insel in die eine Richtung und auf die verkehrsumtoste Brücke und den Bau des neuen EZB Towers in die andere. Der Sound stellt einen Versuch dar, die „Wirklichkeit“ von Außen ins Innere der Institution zu transportieren und somit dem Raum eine neue Authentizität zu verleihen.

Das schwebende Mikrofon registriert ein fortlaufendes Klanggewebe, das sich aus den abgespielten Sounds und den Geräuschen des Aufbaus, der Eröffnung und des Ausstellungsbetriebs zusammensetzt. Diese „Mega-Uploads“, wie sie die Künstlerin nennt, werden dann wiederum für die Druckanlage Portikus Printing Plant und bei ihren zwei Performances eingesetzt. Umgekehrt werden die Geräusche, die bei den Druckprozessen entstehen, in das Soundkonstrukt eingefüttert.

In Weiterführung der Dopplungsidee hat die vielteilige Druckmaschine primär die Funktion alle Gegenstände in der Ausstellung „abzudrucken“ und sie somit in einer neuen Dimension zu verbildlichen. Bei dem Druckverfahren, für das Materialien wie Metall, Holz, Schaumstoff, Kunststoff und Farbe eingesetzt werden, bezieht sich Nora Schultz auf ein primitives Schriftverfahren, bei dem Gedanken in ihrem Entstehen unmittelbar niedergeschrieben oder abgebildet werden. Diesen Übersetzungsprozess veranschaulicht Nora Schultz, indem sie die Zwischendecke als permeable Membran behandelt und das Phänomen des zerteilten Raums in dieser umfassenden Installation erstmals konkret und physisch einbindet: In die Holzschicht der Decke hat sie Löcher gebohrt, Trichter montiert und Durchblicke in die Tiefe gesägt. Sowohl in der Vorbereitung der Ausstellung als auch bei ihren Performances aktiviert sie hierdurch die Kommunikation zwischen den beiden Räumen. So entsteht eine maschinenartige und unauflösbare Rotation zwischen der nach unten fließenden Druckaktivität, der nach oben durchdringenden Geräuschkulisse und den simultan stattfindenden Sound-Uploads. Wie eine mehrstöckige ratternde und extrem leistungsfähige Zeitungspresse konstruiert Nora Schultz’ „Portikus-Maschine“ mit dem Output ihrer Bilder, Objekte, Farben und Klänge eine eigene Sprache, die immer wieder neue Dimensionen annimmt und sich permanent verwandelt.

Die Ausstellung wurde gefördert durch die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main und UBS.

 

Die Ausstellung von Nora Schultz ist Teil einer Ausstellungsreihe, die in Zusammenarbeit zwischen der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main, der Städelschule und dem Portikus besteht. Im Rahmen der Ausstellungsreihe wird einmal im Jahr eine für den Portikus geschaffene Ausstellung eines ehemaligen Studenten der Städelschule gezeigt, der seine künstlerische Karriere nach seinem Abschluss in Frankfurt erfolgreich vorangetrieben hat und nun national oder international ausstellt. Durch die Ausstellung im Portikus kann der jeweilige Künstler sein Werk der Frankfurter Öffentlichkeit präsentieren, womit die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main auf den Beitrag Frankfurts zur Gegenwartskunst aufmerksam machen und den künstlerischen Nachwuchs aus Frankfurt fördern möchte.

Die 2005 gegründete Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main ist in den drei Themenfeldern Bildung, Wissenschaft und Technik; Kunst, Kultur und Bewahrung des kulturellen Erbes sowie Soziales, Karitatives und Humanitäres operativ und fördernd tätig. Die Stiftung möchte dazu beitragen, dass sich Frankfurt zu einem Modell für eine moderne, bürgernahe Stadtgesellschaft entwickelt.

Fotos: Helena Schlichting