29.04.–04.06.1989

Gerhard Richters (geboren 1932 in Dresden, lebt in Köln) Bildzyklus "18. Oktober 1977" vergegenwärtigt einen Abschnitt der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte, dessen Einfluß auf die gesellschaftliche Entwicklung dieser Republik immer noch spürbar ist, obwohl weite Teile der Öffentlichkeit dieses Datum aus ihrem Bewußtsein verdrängt haben. Als übergeordneter Titel dieser Ausstellung verweist es über die Ereignisse jener Nacht, in der Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan Carl Raspe starben, hinaus auf die Zerschlagung der Ideen einer fehlgeleiteten politischen Bewegung, was durch die Einbeziehung von Ulrike Meinhof, die am 9.5.1976 erhängt in ihrer Zelle gefunden worden war, und Holger Meins, der am 9.11.1974 an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben war, deutlich gemacht wird. Für Richter markiert dieses Datum aber mehr noch den Kulminationspunkt einer existenziellen Grenzsituation, die in der Erkenntnis ihrer Ausweglosigkeit nur den Tod als Abschluß und Lösung kennt. Die Ursachen und Motive, die ihn dazu führten, die fünfzehn Bilder elf Jahre nach den in ihnen dargestellten Ereignissen zu malen, sind subjektiv und nur unbestimmt mit Begriffen wie "Entsetzen, Mitleid, Angst und Trauer" zu fassen. Sie sind der Versuch, diesen Gefühlen Ausdruck zu geben, und durch ihre Öffentlichmachung eine kolllektive Aufarbeitung zu ermöglichen. Ihnen voraus ging eine lange geführte Auseinandersetzung über ihre Legitimation vor dem Hintergrund einer Kunstentwicklung, die mehr oder weniger freiwillig die Darstellung historischer Themen aufgegeben hatte. Zu ihrer Bewältigung griff Richter auf das Verfahren der Malerei nach Photographien zurück, das er zu Beginn der 60er Jahre entwickelt hatte. Im Sinne einer Problematisierung des Verhältnisses von Bild und Wirklichkeit setzt der Zyklus der in den Photos wiedergegebenen Realität eine eigene entgegen, die sicher mehr zur Aufarbeitung eines unbewältigten Ereignisses beitragen kann als Verdrängung oder Anerkennung als vermeintlich objektives Beweismittel.

Fotos: Katrin Schilling