02.09.–15.10.2006

Die Ausstellung von Francis Alys (*1959 Antwerpen/Belgien) A Story of Deception zeigt den gleichnamigen Film, der im Frühjahr 2006 in Zusammenarbeit mit Olivier Debroise und Rafael Ortega in Patagonien entstanden ist. Das Projekt begann 2003 mit dem Vorsatz, einer Erzählung nachzugehen, die er während seiner historisch-geografischen Recherche in Argentinien - Pampa gehört hatte: Das in Patagonien lebende Volk der Tehuelche versammelt sich jährlich, um ein Exemplar des landestypischen Laufvogels Nandu über hunderte von Kilometern zu verfolgen, bis dieser vor Erschöpfung zusammenbricht: "Ich war fasziniert von der Einfachheit der Methode, und natürlich vom Gebrauch des Gehens als Waffe, als eine Methode des Jagens". Alys benutzt das Medium des Gehens bereits in vielen seiner früheren Arbeiten als Mittel, um einzig durch die Fortbewegung Situationen hervorzurufen, die eine unvermutete Wendung erwirken können. Statt jedoch ein entsprechendes Bild von der Anekdote zu realisieren, machte Alys die Erzählung davon zum Ausgangspunkt für das aktuelle Projekt.

Bei der Durchsicht sämtlicher filmischer und fotografischer Materialien wurden illusionistische Erscheinungen am Horizont der unendlichen staubigen Highways sichtbar. Dieses Phänomen der atmosphärischen Lichtbrechung verfolgte Alys daraufhin und versuchte genau diesen ständig im Verschwinden begriffenen Punkt und das Dahinter in Bildern einzufangen. Der etwa zwei Minuten lange 16 mm Film zeigt so nichts anderes als die Fahrt auf einem Highway, den durch die Hitze verschwommenen Horizont in einiger Entfernung ständig vor Augen, jedoch nie zu erreichen. Die haptische Qualität der Filmspule und des Filmstreifens und das ewige Weiterdrehen der Spule verstärkt zum einen das Flimmern des Trugbildes, zum anderen verdichtet sich die wiederholende Monotonie der Landschaft zum puren Bild von Bewegung. Kaum scheint das imaginäre Bild an der Horizontlinie in greifbarer Nähe zu liegen, verschwindet es sogleich wieder. "Ohne die Bewegung des Zuschauers/Beobachters, würde eine Illusion nichts anderes sein als ein unbeweglicher Flecken, lediglich eine optische Vibration in der Landschaft". Erst durch unser Fortschreiten und dem Versuch, der imaginären Erscheinung näher zu kommen, entsteht die Illusion. Francis Alys interessiert sich in dieser Arbeit genau für diesen Zwischenbereich der Annäherung, für die menschliche Fortbewegung als Medium und Werkzeug. In den ständig auftauchenden und verschwindenden Illusionen sieht der Künstler die Materialisation des speziellen Teils Lateinamerikas, "wo Entwicklungsprogramme genau wie Illusionen funktionieren, ein historisches Ziel, das andauernd in der Luft verpufft, sobald es sich am Horizont abzeichnet".

In Vitrinen dokumentiert Alys wiederum den Entstehungsprozess von "A Story of Deception" und gibt Einblicke in seine Methode. Statt die Idee des Verfolgens in das ursprüngliche geplante Bild umzusetzen, findet er die eigentliche Materialisation der Idee zufällig.

Mit freundlicher Unterstützung der Hessischen Kulturstiftung