18.09.–24.10.2004

Die erste umfangreichere Einzelausstellung der bosnischen Künstlerin Sejla Kameric (*1976) umfaßt drei Arbeiten. Sie liest sich als der systematische Versuch, dem Verhältnis zwischen individueller Selbstwahrnehmung und dem als das ,Andere' und Fremde angesehene auf die Spur zu kommen. Auf konfrontierende Weise deckt sie dominante Rahmenwerke auf, die konstituierend für das Wissen über sich selbst und das Andere sind und seziert diese mit unterschiedlichen Strategien. Ihre charakteristische Methode ist das Kopieren von Details, die sie unmittelbar umgeben und deren Wiedereinfügung in neue Zusammenhänge.

Das Projekt Bosnian Girl, das sie 2003 entwickelte und während der Ausstellung in Frankfurt als Plakataktion im Stadtraum vorzufinden ist, wurde bereits in anderen Städten in Form von Postern, Postkarten, Plakatwänden oder als Anzeigen in Magazinen und Zeitungen gezeigt. Die Verschränkung der Gegensatzpaare wird hier besonders deutlich. Die Abbildung zeigt das Porträt der Künstlerin und ein Graffiti, das von einem unbekannten niederländischen Soldaten 1994/95 an die Wand der Kaserne in Potocari, Srebrenica geschrieben wurde. Die Royal Netherlands Army Truppen waren als Teil der UN Friedenstruppen UNPROFOR 1992-95 in Bosnien-Herzegowina stationiert und für den Schutz der Region Srebrenica verantwortlich. Obwohl die Arbeit zunächst in direktem Zusammenhang mit der Tragödie von Srebrenica steht, deutet sie sowohl auf die weltweit verbreiteten Mikro-Rassismen als auch auf die große Diskrepanz zwischen der Vorstellung vom Ich und der vom Anderen.

Dream House, 2002, ist eine Videoarbeit, die in den Ausstellungsräumen zu sehen ist. Ein Flüchtlingslager in der Nähe von Sarajewo wird in die Szenerie wechselnder Landschaften transferiert, die den hoffnungsvollen Traum eines zukünftigen Ortswechsels zu beschleunigen scheint. Der Ort des Transits und des Stillstands gerät in Bewegung und löst sich aus seiner ursprünglichen Umgebung und seinen Umständen heraus.

Mit nationaler Identifikation als Konstrukt, der konfliktreichen Eingliederung in eine amorphe Masse des sogenannten Anderen und der Möglichkeit zur Flucht in individuelle Traumwelten setzt sich Sejla Kameric auch in ihrer eigens für den Portikus entworfenen jüngsten Publikation Others and Dreams auseinander, die als eigenständige Arbeit Teil der Ausstellung ist.

Sejla Kameric gehört zu der Generation von Künstlerinnen und Künstlern aus Sarajewo, die während des Krieges aufwuchsen, als die Stadt dreieinhalb Jahre belagert und beschossen wurde. Sie erzählt mit dieser Ausstellung von dem Gefühl, konstant als geringerwärtig betrachtet zu werden und verweist eindrücklich auf die Problematik von damit einhergehenden Ausgrenzungsmechanismen.