14.12.2003–18.01.2004

Kirsten Pieroth zeigt unter dem Titel From the Laboratory of Thomas A. Edison im Portikus eine neue, aus zwei Arbeiten bestehende Installation. Ein von der Künstlerin ersteigerter, unbeschriebener Bogen Briefpapier aus dem Labor des bedeutenden Erfinders wird in der Ausstellung einem großen Haufen Baumaterial gegenübergestellt. Die bereits auf Maß gesägten und sortierten Latten, Bretter, Fenster- und Türelemente machen in Verbindung mit einer Fotodokumentationen deutlich, dass es sich hier um Elemente zur Errichtung eines Gebäudes handelt. Diese Arbeit mit dem Titel Building #11 ist tatsächlich eine nach Fotos zusammengestellte Rekonstruktion des Materials, das vermutlich benötigt wurde, um das Gebäude Nummer 11 aus Edisons Laborkomplex aufzustellen. Die Plastik ist also eine Art Modellbausatz im Originalmaßstab der äußeren Erscheinung dieses Hauses.

1887 wurde in West Orange, New Jersey, Edisons größtes Forschungszentrum errichtet, ein zunächst aus fünf Backsteingebäuden bestehender Komplex, der aber bereits in den kommenden Jahren um weitere Gebäude ergänzt wurde, 1899 auch um das als Chemielabor genutzte Building #11. Dieses Haus wurde 1940 dem Henry Ford Museum in Dearborn, Michigan, überlassen. Dazu wurden alle Einzelteile des Gebäudes sorgfältig nummeriert und auseinander genommen, um dann Stück um Stück in Michigan als eine Attraktion der historischen Außenanlage des Museums wieder zusammengesetzt zu werden. Dort stand das Gebäude die letzten sechzig Jahre. Im vergangenen Jahr wollte das Henry Ford Museum an dessen Stelle nun aber einen anderen Teil seiner Sammlung unterbringen, und so wurde der Holzschuppen erneut in seine Bestandteile zerlegt und wieder zurück an seinem ursprünglichen Standort in West Orange aufgestellt. Durch diese doppelte Umplatzierung der Fassade sowie durch die Tatsache, dass natürlich die nach und nach vergammelten Holzteile des Hauses längst durch neue ersetzt wurden, ist Building #11 über die Zeit selbst, obgleich wieder am Originalstandort zu seinem eigenen 1:1 Modell geworden. Es hat seine Funktion als Chemielabor vollkommen aufgegeben und ist zum reinen Ausstellungsstück geworden.

Durch die Anfertigung einer Kopie als Modellbausatz wird dieses berühmte Labor theoretisch für jeden verfügbar, wenn auch lediglich als Fassade, Container oder Hülle. Auch das unbeschriebene Briefpapier, obwohl als einziger Originalgegenstand aus Edisons Labor in Pieroths Installation präsent, ist ein Container, der aber nie zu einem Träger von authentischen Inhalten wurde. Die Laborrekonstruktion als Modell sowie das Stück Papier zeichnen sich also gleichermaßen durch ihre Funktionslosigkeit aus, im einen Fall basierend auf einer verpassten Chance, im anderen Fall aufgegeben im Willen nach Authentizität. Kirsten Pieroths Vortäuschung der Möglichkeit einer weiteren geographischen Verschiebung des Labors und deren Gegenüberstellung mit dem unbeschriebenen Bogen Briefpapier zeigt in einfacher, aber sehr präziser Weise die Komplexität der Idee von Originalität, Fälschung und Kopie auf. Es gelingt Pieroth immer wieder, durch strategische Eingriffe, Umordnungen und Rekontextualisierungen eine andere Lesbarkeit von gängigen Begriffen und geläufigen Verhältnissen anzubieten.

Kirsten Pieroth (*1970) lebt und arbeitet in Berlin.

Ausstellung und Katalog werden gefördert von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung