08.12.2001–20.01.2002

Die brasilianische Künstlerin Rivane Neuenschwander (* 1967) ist eine der exponiertesten Vertreterinnen einer jungen, lateinamerikanischen Künstlergeneration geworden, die im Verlauf der 90er Jahre entstanden ist. Ihre intellektuellen Wurzeln liegen im organischen Minimalismus der 70er Jahre, ihre Objekte und Installationen zeigen ein intensives Interesse an den Lebenszyklen und Prozessen einer großen Palette von Substanzen, wie z.B. getrocknete Blumen, Schnecken, Reispapier, getrocknete Insekten und Pfeffer. Mit ihrem feinen Gespür für die Flüchtigkeit des organischen Lebens hat sie eine Serie von Installationen hergestellt, die die verwendeten Materialien genau an der Grenze zwischen Existenz und Nicht-Existenz einzufangen scheinen. Dabei wird eine zerbrechliche, flüchtige Schönheit erzeugt. Aufgrund ihres starken Interesses an den formalen Aspekten der Sammlung und Präsentation von Objekten scheint ihre Arbeit eng mit einer minimalistischen Ästhetik verbunden zu sein. Allerdings weist die zentrale Rolle, die das Vergehen von Zeit und das unerbittliche Fortschreiten hin zur Zersetzung in ihrer Arbeit spielt, auf ein älteres Erbe: den brasilianischen Barock.

Für ihre Installation im Portikus unter dem Titel "Spell" hat Rivane Neuenschwander drei eigenständige Arbeiten realisiert. Als zentrale Raumplastik zeigt sie ein aus Pappkartonagen sowie geschnitzten Orangen und Grapefruits gefertigtes Scrabble-Spiel, welches den Betrachter einlädt, eigene Worte zu bilden. In einer Reihe von Wandarbeiten buchstabiert Neuenschwander das Alphabet in Form von Gewürzen, also von Açafrão über Black Pepper und Colorífico bis Zattar. Es ergibt sich also ein Alphabet der Aromen, welche in ihrer Flüchtigkeit, aber auch in ihrer freien Assoziierbarkeit die Konventionen der Sprache als hierarchisches Gebilde aus Zeichen, Phonemen, Morphemen, Worten und Sätzen aufdecken. In einem eigens auf der Rückseite der Ausstellungshalle errichtetem Projektionsraum zeigt Rivane Neuenschwander darüber hinaus einen Film, in welchem Ameisen kleine Transparente mit der Aufschrift "Word" bzw. "World" transportieren.

Die Ausstellung wird unterstützt durch die Hessische Kulturstiftung.