14.10.–03.12.2000
Parallel zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse mit dem Schwerpunktthema "Polen" eröffnet der Portikus eine Ausstellung mit Werken des polnischen naiven Malers Nikifor.
Nikifor (1895-1968) war der Sohn einer taubstummen alleinstehenden Frau, die ihren Unterhalt in den Kurpensionen Krynicas verdiente. Als Ruthene gehörte er zu einer Minderheit. Nikifor konnte weder Lesen noch Schreiben und war wegen seiner Sprachstörungen ein Außenseiter, für den die Malerei zum Lebenselixier wurde, seine einzige Möglichkeit, mit der Welt in Kontakt zu treten. Lange Zeit lebte Nikifor als Bettler und konnte seine Zeichnungen nur an die Kurgäste seines Heimatortes verkaufen. Erst in den 30er Jahren wurde er durch polnische Künstler entdeckt. Nikifor gilt insbesondere in Polen als zentrale Figur der Nachkriegskunst und hat bis heute dort viele Maler beeinflußt.
Die meisten seiner Werke sind Aquarelle; später entstanden auch Gouachen und Zeichnungen mit Wachsmalstiften. Seine Bleistiftzeichnungen datieren in seine letzten Jahre. Seine Bilder sind bis auf wenige Ausnahmen kleinformatig; zum Malen hat Nikifor aus Mangel an Papier auch Karton, Packpapier, Blankoseiten aus Schulbüchern und sogar Zigarettenschachteln benutzt.
Häufig hat er ebenfalls aus Papier eine Rahmung für seine Bilder hergestellt und diese mit einer Öse aus Garn zum Aufhängen versehen. Auf vielen Bildern findet sich auf der Rückseite ein Stempel mit der Bezeichnung "PAMIATKA Z KRYNICY" ("Souvenir aus Krynica") und statt seiner Signatur der Stempel NIKIFOR-MALARZ oder NIKIFOR ARTYSTA ("Maler: Nikifor" oder "Künstler: Nikifor").
Die Werke Nikifors zeigen angeschnittene Bildräume und in ihrem Aufbau eine sehr dichte Tiefenstaffelung. Hierdurch entsteht eine Nahansichtigkeit der Motive. Die Kompositionen sind vielfach symmetrisch um ein zentrales Motiv herum aufgebaut. Die Aquarelle und Gouachen besitzen ein kräftiges und leuchtendes, bisweilen ein surrealistisches Kolorit.
Nikifors Oeuvre umfaßt verschiedene Themen. Hierzu zählen Ansichten aus Krynica und der direkten Umgebung, die Nikifor grundsätzlich realistisch abbildet, doch immer wieder mit Phantasieelementen durchsetzt. Häufig definiert er die Gebäude durch Personen oder ein Symbol. So werden Synagogen von Kerzen bekrönt, kleine Tiere verweisen auf eine Tierarztpraxis, auf dem Dach eines Tanzlokales tanzt ein Paar, und der polnische Adler bezeichnet Ämter wie Rathäuser oder Postgebäude.
Nikifor hat ebenfalls Interieurszenen abgebildet. Diese umfassen sowohl Kircheninterieurs mit Geistlichen und Gläubigen als auch Innenräume von Ämtern und Ferienpensionen mit Personal. Vor allem hat Nikifor auch Küchenräume thematisiert.
Daneben entstanden Porträts von Kurgästen, die vermutlich direkte Auftragsarbeiten sind. Die Personen in Profil oder en face nehmen hier fast vollständig den Bildraum ein.
Die Ausstellung im Portikus wird ca. 130 Arbeiten versammeln; sie stammen aus dem Panstwowe Muzeum Etnograficzne in Warschau, dem Muzeum Okregowe in Nowy Sacz mit der größten Nikifor-Sammlung, dem Museum Charlotte Zander. Schloß Bönnigheim in Bönnigheim sowie aus Privatbesitz.